Systematik des BGB: das Klammerprinzip

Mündliche Prüflinge aufgepasst!

Das mündliche Staatsexamen ist die ideale Gelegenheit für praxiserfahrene Prüfer, Dein allgemeines Rechtsverständnis abzufragen. Was ist also das Klammerprinzip? Was verstehen wir Juristen unter diesem Begriff?

Eine Frage zu allgemeinen juristischen Prinzipien ist in der mündlichen Prüfung nicht unwahrscheinlich. Gerade im Prüfungsgespräch werden gerne allgemeine rechtliche Verständnisfragen eingestreut, um zu testen, ob der Prüfling sich nur auf das Absehbare vorbereitet und Inhalte auswendig gelernt hat oder ob seinem Wissen wirklich ein tiefgründiges juristisches Verständnis zugrunde liegt. Die Prüfer wollen sehen, dass Du die Systematik des Rechts verstehen kannst.

Inhaltsübersicht

I. Was ist das Klammerprinzip des Zivilrechts?

II. Es findet nicht nur im Zivilrecht Anwendung

III. Beispielsfall

IV. Fazit zum Klammerprinzip

V. FAQ

 

I. Was ist das Klammerprinzip des Zivilrechts?

Im Zivilrecht gibt es also das sogenannte Klammerprinzip, auch Klammertechnik genannt. Dieses sehen wir uns anhand des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an.

1. Aufbau des BGB

Um das Klammerprinzip besser zu verstehen, sehen wir uns zunächst den grundlegenden Aufbau des BGB an:

Aufbau des BGB

2. Methode zur Strukturierung von Gesetzen

Das Klammerprinzip ist jedoch eine allgemeine Methode zur Strukturierung von Gesetzen und daher nicht nur auf das BGB beschränkt. Nach dem „Klammerprinzip“ werden allgemeine Regelungen den besonderen vorangestellt, also „vor die Klammer“ gezogen. Das bedeutet: Generelle Vorschriften werden also vor spezielle gestellt. So enthalten Gesetze häufig einen ersten Abschnitt mit Vorschriften, der für alle übrigen Abschnitte gilt.

Hinweis: Der Name Klammerprinzip ist, wie Du Dir sicher schon gedacht hast, der Mathematik entlehnt.

2. Das Klammerprinzip in der Systematik des BGB

So gelten beispielsweise alle Vorschriften des Allgemeinen Teils (BGB AT/ Buch 1) auch für alle übrigen Bücher des BGB, soweit sie nicht durch spezielle Normen verdrängt werden.

Bildlich kannst Du es Dir wie folgt vorstellen:

BGB AT[Schuldrecht AT, Recht der Schuldverhältnisse, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht]

Beispielsfall

Nehmen wir einfach den Minderjährigenschutz (§§ 106 ff BGB) als anschauliches Beispiel. Dieser ist im Schuldrecht BT (z.B. Kaufvertrag gem. § 433 BGB, Werkvertrag gem. § 634 BGB) ebenso zu beachten wie z.B. bei der Übereignung im Sachenrecht gem. §§ 929 ff. BGB.

Gleiches gilt für den Schuldrecht AT, der immer dann gilt, wenn keine spezielleren Vorschriften aus dem Schuldrecht BT greifen. Außerdem verweisen auch viele Vorschriften aus dem Schuldrecht BT, z.B. im Rahmen der Sachmängelgewährleistung beim Kauf gem. §§ 434 ff. BGB, zurück auf den Allgemeinen Teil des Schuldrechts. Auch diese Zurückverweisungen sind typisch für das Klammerprinzip.

Auch innerhalb eines einzelnen Teils des BGB kommt die Klammertechnik zum Einsatz. Beispielsweise enthält das Mietrecht einen allgemeinen Teil am Anfang, §§ 535 ff. BGB, der für sämtliche Mietverträge gilt. Dieser regelt die elementaren Bestimmungen, unabhängig davon, ob es sich um Wohnraum, Gewerberäume oder andere Mietsachen handelt.

II. Es findet nicht nur im Zivilrecht Anwendung

Auch wenn das Klammerprinzip im Zivilrecht seine größte Bedeutung hat, findet sich diese Gesetzessystematik auch in anderen Gebieten des Rechts. Beispielsweise beginnt das Strafgesetzbuch auch mit einem Allgemeinen Teil, dessen Regelungen für sämtliche Delikte des Besonderen Teils gelten.

III. Beispielsfall zur Klammertechnik

Die X-GmbH kauft von der W-GmbH ein Kfz.

1. Schuldrechtlicher Kaufvertrag

Im GmbHG selbst finden sich keine Regelungen zum Kaufvertrag oder zum Vertragsschluss. Hierzu schauen wir in das BGB, das quasi für das gesamte Zivilrecht „vor die Klammer“ gezogen ist.

Innerhalb des BGB werden wir im 2. Buch, dem Recht der Schuldverhältnisse, fündig. Auch hier gilt das Klammerprinzip. Der Kaufvertrag findet sich im Schuldrecht BT bei § 433 BGB. Hätten die Parteien hier nur einen atypischen Vertrag geschlossen, der keinem Vertragstypus im Schuldrecht BT zuzuordnen ist, wären nur die allgemeinen Regeln des Schuldrecht AT anwendbar.

Für den Vertragsschluss selbst werden wir im Kaufrecht nicht fündig. Dazu gehen wir einen Schritt zurück „vor die Klammer“ in den BGB AT.

Hier finden sich die Regelung zum Vertragsschluss bei §§ 145 ff. BGB, dem Recht über die Willenserklärungen.

Da die GmbHs juristische Personen sind, müssen sie zur Abgabe der betreffenden Willenserklärungen wirksam durch eine natürliche Person vertreten werden. Dies richtet sich nach den Regelungen über die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB.

2. Dingliche Übereignung

Für die anschließende Übereignung des Kfz findet das Klammerprinzip erneut Anwendung. Das GmbHG enthält hierzu keine Regelungen. Wir schauen uns also das BGB an. Dort werden wir im Sachenrecht fündig. Da es um die Eigentumsübertragung an einer beweglichen Sache geht, sind die §§ 929 ff. BGB einschlägig. Für die dingliche Einigung ziehen wir dann wieder die §§ 145 ff. BGB sowie die §§ 164 ff. BGB aus dem BGB AT heran.

Hinweis: Der Begriff der Sache war hier unproblematisch. Sofern der Begriff der (beweglichen) Sache jedoch nicht auf der Hand liegt, findet erneut das Klammerprinzip Anwendung. Das Sachenrecht selbst definiert den Begriff nämlich nicht. Fündig wird man erneut im BGB AT bei den §§ 90 ff. BGB.

IV. Fazit zum Klammerprinzip

Das Klammerprinzip stellt eine fundamentale Strukturierungsmethode im Recht dar, die allgemeine Vorschriften vor spezifische Regelungen stellt. Im BGB sorgt diese Technik für eine klare und systematische Gliederung, wobei der Allgemeine Teil grundlegende Bestimmungen für alle weiteren Teile des Gesetzes liefert. Diese Strukturierung ist nicht nur im Zivilrecht von Bedeutung, sondern auch in anderen Rechtsgebieten wie dem Strafrecht. Das Klammerprinzip fördert das Verständnis für die systematische Anwendung von Vorschriften und hilft dabei, eine kohärente und übersichtliche Gesetzgebung zu gewährleisten.

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RA Mario Kraatz

Gründer und Geschäftsführer der Kraatz Group

VI. FAQ

1. Was ist das Klammerprinzip im Zivilrecht?

Das Klammerprinzip im Zivilrecht bezieht sich auf eine Methode zur Strukturierung von Gesetzen, bei der allgemeine Regelungen den speziellen Vorschriften vorangestellt werden. Diese Methode sorgt für eine klare Systematik und hilft dabei, grundlegende Vorschriften für alle folgenden spezifischen Normen zu etablieren.

2. Was ist die Klammermethode im BGB?

Die Klammermethode ist ein Synonym für das Klammerprinzip, siehe Frage 1.

3. Welche Regelungen finden auf alle Bücher des BGB Anwendung?

Auf alle Bücher des BGB finden die Regelungen des Allgemeinen Teils (Buch 1) Anwendung, sofern keine spezielleren Regelungen in den anderen Büchern (z.B. Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht) existieren.

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