Geschenkt ist geschenkt? Herausgabeansprüche gegen Beschenkte

Geschenke machen Freude – bis das Recht ins Spiel kommt. Denn manchmal bleibt es nicht dabei, dass der oder die Beschenkte das Präsent einfach endgültig behalten darf. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt mehrere, klausurrelevante Vorschriften, die eine Rückgabe ermöglichen, wenn eine Schenkung im weitesten Sinne „unrechtmäßig“ ist und ein Dritter Ansprüche geltend macht. Besonders spannend – und in zivilrechtlichen Klausuren beliebt – ist neben den Möglichkeiten, die das Schenkungsrecht vorsieht (§§ 528, 530 BGB), der Unterschied zwischen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB: Beide betreffen Fälle, in denen der Beschenkte etwas herausgeben soll, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen. Genau da lauert die typische Prüfungsfalle – und die schauen wir uns heute genauer an.

Du möchtest, bevor du dir das Ganze näher anschaust, noch einmal die Grundlagen im Bereicherungsrecht ansehen? Dann schau bei diesem Beitrag vorbei →Die condictio indebiti (§ 812 I 1 Alt. 1 BGB)

Warum ist das Thema für die Klausur so wichtig?

In sachenrechtlichen oder bereicherungsrechtlichen Klausuren können Schenkungen eine Rolle spielen. In aller Regel dreht sich die Klausur um eine bewegliche Sache, die einem Eigentümer ursprünglich gehörte. Eine andere Person ist dann entweder im Besitz der Sache gelangt oder hat Eigentum erworben und verschenkt die Sache nun an einen Dritten (natürlich kann es sich unter Umständen auch um eine Forderung handeln). Weil der Schenker die Sache an den bisherigen Eigentümer nun nicht mehr selbst herausgeben kann, muss in der Klausur der Beschenkte in den Blick genommen werden. Prüflinge müssen dann sauber trennen: Liegt unter Umständen ein Fall des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB vor, also ein Fall einer wirksamen, unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten gegenüber einem Dritten, oder greift nicht vielmehr der Durchgriff nach § 822 BGB, weil der eigentliche Bereicherungsschuldner gem. § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist, weil er den Kondiktionsgegenstand verschenkt hat? Beide Normen sind eng verwandt, aber dogmatisch voneinander strikt zu unterscheiden – wer hier durcheinander gerät, verliert schnell Punkte.

Hier findest du noch einmal kompakt Tipps für deine Klausur im Sachenrecht →Mobiliarsachenrecht – Tipps für die Klausur!

Der Ausgangspunkt: die unentgeltliche Zuwendung

Unentgeltliche Zuwendungen sind das Einfallstor, durch das das Bereicherungsrecht gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 822 BGB in eine Schenkung und damit in eine eigentlich vorrangige Leistungsbeziehung zwischen Schenker und Beschenktem eingreift. Im Kern geht es bei beiden Ansprüchen darum, dass jemand etwas ohne Gegenleistung erhält und daher nicht schutzwürdig ist, das Geschenk dauerhaft zu behalten, weil eine dritte Person andernfalls womöglich ohne Anspruch dastünde. Wann immer also eine Person eine Sache wirksam verschenkt oder jemand etwas geschenkt bekommt, was er selbst gar nicht hätte behalten dürfen, stellt sich die Frage: Wer soll das jetzt herausgeben – der Schenker, der gar nichts mehr hat, oder der Beschenkte, der sich über das Präsent freut? Genau an dieser Schnittstelle greifen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB ein.

Wie entstehen typische Klausurfälle?

In der Praxis – und in Klausuren – beginnt es oft harmlos: Eine Person verkauft oder verschenkt etwas, das ihr gar nicht gehört, oder sie verschenkt eine Sache oder leitet einen Geldbetrag weiter, die sie nach Vertrags- oder Bereicherungsrecht eigentlich an eine andere Person herausgeben müsste. Auf einmal steht der eigentliche Eigentümer der Sache bzw. der Gläubiger des Bereicherungsanspruchs vor der Frage: Kann ich mich direkt an den beschenkten Empfänger halten? Und wenn ja, auf welche Norm stütze ich meinen Anspruch?

Worin unterscheiden sich § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB?

Hier beginnt der entscheidende Teil: Beide Normen führen auf den ersten Blick zu einem ähnlichen Ergebnis – der Empfänger eines Geschenks muss das Geschenk an eine andere Person herausgeben, von der er das Geschenk nicht erhalten hat. Aber die dogmatische Ausgangslage ist völlig verschieden. Gemeinsam ist den beiden Ansprüche nur, dass es sich jeweils um eine Form des Durchgriffs handelt.

1. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB

816 Abs. 1 S. 2 BGB betrifft die wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten, die unentgeltlich erfolgt. Der Berechtigte, der durch die Verfügung sein Recht, z.B. Eigentum an einer Sache, verloren hat, kann vom Empfänger der unentgeltlichen Leistung Herausgabe des Erlangten verlangen.

2. § 822 BGB

822 BGB dagegen ist eine Sonderregel für Fälle, in denen der eigentliche Bereicherungsschuldner nicht mehr leistungsfähig ist, weil er den herauszugebenden Kondiktionsgegenstand unentgeltlich weitergegeben hat und dadurch bei ihm Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB eingetreten ist. Der Bereicherungsanspruch, den der bisherige Gläubiger gegen den Schuldner hat, ist dadurch erloschen, aber springt sozusagen „eine Stufe weiter“ zum Empfänger der unentgeltlichen Leistung – aber nur unter den engen Voraussetzungen des § 822 BGB.

3. Wann greift welche Norm?

Und genau hier wird’s klausurrelevant: Wer prüft, muss immer fragen – kam es zu einer wirksamen, unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten (dann § 816 Abs. 1 S. 2 BGB) oder geht es um eine unentgeltliche Weitergabe eines vermögenswerten Kondiktionsgegenstands i.S.d. § 812 BGB (dann § 822 BGB)? Was vielfach übersehen wird: Beide Normen schließen sich gegenseitig aus. Es kann nur entweder eine unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten oder die eines Berechtigten vorliegen.

Beispielsfall 1

V ist Eigentümer eines Buches (Wert: 10 €). V verkauft und übereignet das Buch dem K für 10 €. K überweist den Kaufpreis sofort an V. Nach einiger Zeit fällt dem K ein, dass er noch, wie jedes Jahr, nach einem passenden Geschenk für seine Mutter X zum Geburtstag sucht. K schenkt seiner Mutter in aller Regel etwas im Wert von 10 €. K schenkt X daher das Buch. Der Kaufvertrag zwischen K und V stellt sich dann jedoch nachträglich als unwirksam heraus, die Übereignung des Buches von V an K hingegen war wirksam. V fragt sich, ob er Ansprüche auf Herausgabe des Buches gegen die Mutter X hat.

Vorüberlegungen

Sicher ist, dass hier § 816 Abs. 1 S. 2 BGB nicht greifen kann. Denn die Norm würde voraussetzen, dass K als Nichtberechtigter wirksam über das Buch verfügt hat. K war jedoch Eigentümer des Buches, wenn auch rechtsgrundlos. Aber auch § 822 BGB greift nicht. Die Norm würde voraussetzen, dass der Schenker (K) ursprünglich einem Kondiktionsanspruch des V ausgesetzt war, der dann durch die Schenkung wegen Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist. K ist hier jedoch nicht entreichert. K hat sich vielmehr Aufwendungen für ein Geschenk für seine Mutter erspart. Die Bereicherung ist insofern noch in seinem Vermögen.

Lösungsansatz

Der Fall geht daher wie folgt aus: V erhält nichts von X. Der Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 10 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wird mit dem Anspruch des V gegen K auf Wertersatz für das nicht mehr herauszugebende Buch gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB saldiert. Weder V noch K erhalten daher etwas. V kann die 10 € behalten, K muss an V keinen Wertersatz zahlen, aber zugleich muss er auch kein Geschenk mehr für seine Mutter besorgen und hierfür anderweitig 10 € aufbringen. X darf das Geschenk behalten. Insgesamt also ein gerechtes Ergebnis!

Wenn du die Saldotheorie noch einmal wiederholen willst, schau gerne bei diesem Beitrag vorbei → Die Saldotheorie

Beispielsfall 2

Der Fall startet wie eben: K schenkt aber, anders als im Ausgangsfall, seiner Mutter X grundsätzlich nichts. Da K das Buch aber für so nutzlos hält, will er es loswerden. Anstatt es in den Müll zu werfen, entscheidet er sich jedoch, das Buch seiner Mutter zu schenken. K weiß hierbei nicht, dass der Kaufvertrag unwirksam ist. V fragt sich, abermals, ob er das Buch von X herausverlangen kann, als sich herausstellt, dass der Kaufvertrag zwischen K und V unwirksam war.

Hier greift wieder nicht § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, da K erneut (rechtsgrundloser) Eigentümer des Buches war. Damit war K berechtigt, das Buch zu übereignen.

Hier greift jedoch § 822 BGB.

Wie lauten die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 822 BGB?

Der Wortlaut der Norm angewandt auf den Fall: 

„Wendet der Empfänger (K) das (von V rechtsgrundlos) Erlangte (Eigentum und Besitz am Buch) unentgeltlich (hier im Wege einer Schenkung) einem Dritten (X) zu, so ist, soweit infolgedessen die Verpflichtung des Empfängers (K) zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist (wegen Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB), der Dritte (X) zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung (die X von K erhalten hat) von dem Gläubiger (V) ohne rechtlichen Grund erhalten hätte.“

Daraus leitet sich folgendes Schema ab:

Herausgabeansprüche gegen Beschenkte - lerne den Unterschied zwischen §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB!

Hier hat X Eigentum und Besitz durch eine unentgeltliche Leistung vom berechtigten Eigentümer des Buches K erlangt. Die leistende Person K ist wegen § 818 Abs. 3 BGB durch die Schenkung ihrerseits von einer Inanspruchnahme des V aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB befreit.

Wie lautet die Rechtsfolge von § 822 BGB?

Im Rahmen des § 822 BGB haftet der Dritte, als wenn er unmittelbar das Erlangte vom Gläubiger des Bereicherungsanspruchs, der wegen Entreicherung ausgeschlossen ist, erhalten hätte. Hier muss X also so behandelt werden, als hätte X Eigentum und Besitz vom V ohne Rechtsgrund erlangt. So kann V von X Rückübereignung des Buches verlangen.

Wie sieht ein klassischer Fall des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB aus?

Im Folgenden schauen wir uns einen Schulbuchfall für die Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB an:

Eigentümer E verleiht ein Buch an seinen Freund F. F ist also nur Besitzmittler, nicht Eigentümer. Nun meint F, besonders großzügig sein zu müssen, und verschenkt das Buch an den gutgläubigen Dritten D. D weiß nichts von der fehlenden Berechtigung des F und nimmt das Geschenk dankend an.

1. Erwirbt der D Eigentum?

Nach §§ 932 ff. i.V.m. § 929 S. 1 BGB erwirbt D als gutgläubiger Erwerber wirksam Eigentum am Buch. E verliert damit sein Eigentum, obwohl er der Verfügung des F nicht zugestimmt hatte. Spätestens an dieser Stelle sollte man sich an die Grundregeln aus dem Sachenrecht erinnern: Eine Verfügung eines Nichtberechtigten ist zwar grundsätzlich unwirksam, wird aber durch eine Genehmigung des Berechtigten gem. § 185 BGB oder – wie hier – durch den gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB wirksam.

Wenn du im Sachenrecht noch Schwierigkeiten hast, schau gerne bei diesem Beitrag vorbei →Die 5 besten Tipps, um das Sachenrecht strukturiert und effektiv zu lernen!

2. Was kann E von D verlangen?

Damit liegt genau der Fall vor, den § 816 Abs. 1 S. 2 BGB erfassen will. Der Berechtigte E hat die Verfügung zwar nicht selbst vorgenommen, muss sie aber gegen sich gelten lassen, weil sie wirksam ist. Im Gegenzug gibt ihm § 816 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe des Erlangten – das wäre hier: Eigentum und Besitz an der Sache. D muss die Sache also an den E übereignen. D ist nicht schutzwürdig. Anders wäre es, wenn D für das Eigentum eine Gegenleistung erbracht hätte. In so einem Fall läge eine schutzwürdige Leistungsbeziehung zwischen F und D vor. Eine unentgeltliche Leistungsbeziehung ist jedoch, wie § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB zeigen, keine schutzwürdige Leistungsbeziehung i.S.d. BGB.

3. Wichtig!

822 BGB ist hier gerade nicht einschlägig. Er setzt voraus, dass ein bestehender Bereicherungsanspruch durch eine unentgeltliche Weitergabe durch den Eintritt von Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) vereitelt wurde. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine wirksame, unberechtigte Verfügung über fremdes Eigentum. Der Zugriff auf den beschenkten Empfänger erfolgt hier also unmittelbar über § 816 Abs. 1 S. 2 BGB – und nicht über den Umweg des § 822 BGB.

Wann greift also stattdessen § 822 BGB?

Der Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB wird erneut deutlich, wenn man sich noch einmal einen klassischen Anwendungsfall des § 822 BGB ansieht:

Der Bereicherungsschuldner S hat vom Gläubiger G irrtümlich 10.000 € überwiesen bekommen. G verlangt das Geld nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB von S zurück. Das ist eigentlich auch möglich, denn S hat etwas erlangt (Kontogutschrift i.H.v. 10.000 €) durch Leistung des G ohne Rechtsgrund. Nun ist S aber nicht mehr bereichert, weil er, was er normalerweise nicht tun würde, die 10.000 € seiner Freundin F bereits geschenkt hat. G schaut also zunächst in die Röhre: Sein Anspruch gegen S scheitert am Entreicherungseinwand des S.

Was kann G von F verlangen?

Aber das Bereicherungsrecht lässt G hier nicht völlig schutzlos. § 822 BGB springt ein und sagt sinngemäß: Wenn der Schuldner durch unentgeltliche Zuwendung an einen anderen entreichert ist, dann kann der Gläubiger sich direkt an den Empfänger der unentgeltlichen Leistung halten.

So wird also der Durchgriff auf F möglich. Sie muss das Geschenk herausgeben, obwohl sie selbst gar keinen Vertrag mit G hatte. Ihr „Fehler“ liegt nur darin, dass sie unentgeltlich etwas bekommen hat, das aus einem rechtsgrundlosen Vermögensvorteil stammt.

Im Gegensatz zum Fall des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB liegt hier keine wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten vor, sondern eine unentgeltliche Weitergabe durch den Berechtigten von etwas, das aber aufgrund eines Bereicherungsverhältnisses herauszugeben gewesen wäre.

Zwischenfazit: Zwei ähnliche Normen – aber zwei völlig verschiedene Ansätze

816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB wirken auf den ersten Blick wie Zwillinge – beide ermöglichen einen Zugriff auf den Empfänger einer unentgeltlichen Leistung. Doch wer genau hinschaut, erkennt zwei verschiedene Welten: § 816 Abs. 1 S. 2 BGB greift bei der wirksamen, unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten, § 822 BGB greift bei der unentgeltlichen Weitergabe aus einem Bereicherungsverhältnis– also beim mittelbaren Durchgriff, wenn der eigentliche Schuldner entreichert ist.

Tipp für die Klausur

Für die Klausur bedeutet das: Immer fragen, woher der beschenkte Empfänger seine Zuwendung hat. Stellt man diese Frage richtig, landet man automatisch in der richtigen Norm: Erlangt der beschenkte Empfänger die Leistung vom Nichtberechtigten, kann § 816 Abs. 1 S. 2 BGB greifen, erlangt er sie vom berechtigten Eigentümer, der aber keinen Rechtsgrund für das Eigentum hat, kann § 822 BGB greifen.

Sonderfall zu § 822 BGB: Geschenke eines Diebes

Im Folgenden sehen wir uns zum Abschluss noch eine besonders brisante und damit examensrelevante Konstellation an:

Dieb D stiehlt dem Eigentümer E ein Buch. D hat zunächst vor, das Buch zu verkaufen. Dann aber entscheidet er sich dazu, das Buch bei einem gutgläubigen Dritten, der nichts davon weiß, dass das Buch geklaut ist, gegen Ohrringe einzutauschen. Mit den Ohrringen kann D aber nichts anfangen und schenkt sie daher seiner Freundin F. Die F freut sich, weil sie normalerweise keine Geschenke von D bekommt. Danach setzt sich der Dieb ins Ausland ab und ist für E nicht mehr auffindbar. E fragt sich, ob er von F die Ohrringe herausverlangen kann.

1. Wer ist Eigentümer der Ohrringe?

Die Ohrringe standen zunächst im Eigentum des Dritten. Der Dritte übereignete sie aber wirksam an den Dieb. Der Dieb übereignete die Ohrringe wirksam gem. § 929 S. 1 BGB an die F. Nun ist F die Eigentümerin.

2. Kann der E die Ohrringe von F herausverlangen?

Da der Dieb nicht mehr auffindbar ist, wäre es für E vorteilhaft, wenn er einfach von F zumindest die Ohrringe verlangen könnte. Gem. § 985 BGB ist das jedoch nicht möglich, da E nie Eigentümer der Ohrringe war. Denkbar wäre allenfalls ein Anspruch aus § 822 BGB. Dazu müsste E ursprünglich einen Kondiktionsanspruch gegen D gehabt haben. Dieser Anspruch müsste durch die wirksame, unentgeltliche Verfügung ausgeschlossen sein , nämlich wegen Entreicherung des D gem. § 818 Abs. 3 BGB.

Ist D entreichert?

Ursprünglich hat E gegen D einen Anspruch auf Rückgabe der geklauten Sache gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion). Tatsächlich ist D auf den ersten Blick entreichert, sodass E von F die Ohrringe gem. § 822 BGB wiedererlangen könnte. Auf den zweiten Blick ist es jedoch so, dass D sich wegen §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 292, 989 BGB nicht auf Entreicherung berufen kann (!) und damit auch die Anwendung von § 822 BGB ausscheidet.

Streitstand

Eine Mindermeinung hält es jedoch für widersprüchlich, dass der E die Ohrringe von F hätte verlangen können, wenn der D kein bösgläubiger Dieb, sondern gutgläubiger rechtsgrundloser Eigentümer der Ohrringe gewesen wäre. Warum, so die Argumentation, sollte man ein Geschenk gerade dann herausgeben, wenn der Schenker nicht bösgläubig ist? Es sei kaum einzusehen, warum derjenige besser steht, der etwas unentgeltlich von einem bösgläubigen Dieb erhält, als von einem gutgläubigen Bereicherungsschuldner, der ja dann nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert wäre. Allerdings stehen der klare Wortlaut und die subsidiäre Haftung nach § 822 BGB entgegen.

Was bleibt als Merksatz fürs Examen?

Der Beschenkte ist ausnahmsweise nicht schutzwürdig, weil er für das Geschenk nichts bezahlt/geleistet hat. Aber keine Angst: Ihr müsst nicht denken, dass ihr als Beschenkte immer alles herausgeben müsst. Das ist nur dann der Fall, wenn für den Schenker die Schenkung eine Luxusschenkung war (was an Weihnachten und Geburtstag in der Regel nicht der Fall ist), oder wenn der Schenker nicht Eigentümer des Geschenks war. Außerdem müssen auch noch die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Kurz gesagt: § 816 Abs. 1 S. 2 BGB regelt die Rechtsfolgen einer wirksamen, unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten, § 822 BGB die Entreicherung eines Bereicherungsschuldners.

Fazit: Geschenke sind schön – bis das Gesetz klingelt

Der Unterschied zwischen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB ist ein Paradebeispiel für das, was Examensklausuren spannend macht: zwei ähnlich klingende Normen, die auf den ersten Blick das Gleiche wollen, aber auf ganz verschiedenen Ebenen ansetzen. Wer hier strukturiert denkt und sauber prüft, hat das meiste schon gewonnen.

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