- 3. September 2025
- Posted by: Hendrik Heinze
- Category: Strafrecht
I. Voraussetzungen der Verständigung im Strafverfahren (§ 257c StPO)
In der Rechtspraxis des Strafprozesses stellt der „Deal“ gemäß § 257 c StPO zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten ein gängiges Institut der Verständigung dar.
1. Praktische Bedeutung: Geständnis des Angeklagten für geringere Strafe
In der Regel legt der Angeklagte ein Geständnis ab und erhält dafür im Gegenzug durch die Zusicherung einer Strafmilderung und / oder Strafobergrenze eine gewisse Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens.
Für die Gerichte und die Staatsanwaltschaft bringt eine derartige Verständigung den Vorteil einer mit der geständigen Einlassung einhergehenden Verfahrensbeschleunigung mit sich.
2. Gegenstand der Verständigung
Gegenstand einer Verständigung dürfen gem. § 257c II 1 StPO im Wesentlichen nur die ungefähren Rechtsfolgen einer Tat sein, wobei auch eine Verständigung über vereinzelte Verfahrenshandlungen zulässig ist.
Eine Vereinbarung über den konkreten Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung gem. §§ 61 ff. StGB ist hingegen gem. § 257c II 3 StPO unzulässig. Der Inhalt des Urteils kann also durch die Verständigung nur bedingt beeinflusst werden.
Gleiches gilt für die Vereinbarung einer konkreten Strafe (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 257c StPO Rn. 11). Charakteristisch ist für den „Deal“ also, dass das Gericht weiterhin frei über die Höhe der Strafe innerhalb eines durch die Absprache vorgegebenen strafmildernden Rahmens entscheidet.
3. Wie kommt ein Deal zustande?
Die Verständigung kommt grds. dadurch zustande, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten einen Vorschlag unterbreitet, zu dem sie Stellung nehmen können.
Hierbei ist zu beachten, dass der Vorsitzende Richter gem. § 243 IV 1 StPO nach der auf § 243 III 1 StPO beruhenden Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt mitzuteilen hat, ob bereits vor dem Beginn der Hauptverhandlung Gespräche i.S.d. § 202 a StPO (i.R.d. auf den §§ 198 ff. StPO beruhenden gerichtlichen Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. §§ 212 ff. StPO) und §§ 212, 202 a StPO (nach der Eröffnung des Hauptverfahrens) über eine mögliche Verständigung geführt wurden oder nicht. Falls dies der Fall sein sollte, ist auch der wesentliche Inhalt der Gespräche mitzuteilen.
Ebenso ist gem. § 243 IV 2 StPO zu verfahren, wenn entsprechende Gespräche nach dem Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb der Hauptverhandlung, gem. §§ 212, 202 a StPO geführt wurden.
Überdies kann das Gericht gem. § 257 b StPO zur Vorbereitung einer Verständigung den Verfahrensstand mit den Beteiligten in der Hauptverhandlung erörtern. Nach § 273 I 2, Ia 2 StPO ist diese Erörterung wie die vorgenannten Mitteilungen des § 243 IV StPO in das Hauptverhandlungsprotokoll (Sitzungsprotokoll) aufzunehmen. Gleiches gilt gem. § 273 Ia 3 StPO für eine nicht stattgefundene Verständigung.
Allgemein ist zu beachten, dass das Gericht den Angeklagten gem. § 257c IV, V StPO bereits vor dem Abschluss der Verständigung darüber zu belehren hat, dass es in bestimmten Fällen nicht an die Verständigung gebunden ist. Allerdings darf anschließend auch das betreffende Geständnis des Angeklagten nicht mehr verwertet werden. Eine wirksame Verständigung erfolgt letztendlich stets dann, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte dem Vorschlag des Gerichts zustimmen. Weitere Zustimmungen, wie z.B. diejenige des Verteidigers, sind hingegen nicht erforderlich (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 257 c StPO Rn. 25).
Bei der Rechtsmittelbelehrung des betreffenden Urteils ist gem. § 35a S. 3 StPO zu beachten, dass der Vorsitzende Richter den Angeklagten zusätzlich über dessen Möglichkeit zu belehren hat, trotz des „Deals“ weiterhin ein Rechtsmittel einlegen zu können.
II. Bindungswirkung der Verständigung zwischen Gericht und Beteiligten
Wie bereits erörtert, ist die Verständigung des „Deals“ grds. für das Gericht bindend. Abweichungen sind nur in den Fällen des § 257c IV StPO zulässig. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Gericht aufgrund des fair-trial-Grundsatzes weder ein unvertretbar mildes Urteil für den Fall eines Geständnisses versprechen noch ein unvertretbar hartes Urteil für den Fall eines ausbleibenden Geständnisses androhen darf. Auch ist gem. § 302 I 2 StPO ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 302 StPO Rn. 26 a).
Hinweis: Die Bindungswirkung des „Deals“ gem. § 257c StPO entfällt bei dem Vorliegen eines der Gründe des § 257c IV StPO nicht automatisch, sondern bedarf einer aufhebenden gerichtlichen Entscheidung. Beispielsweise kommt gem. § 257c IV 1 StPO ein Entfallen der Bindungswirkung dann in Betracht, wenn nach der betreffenden Verständigung der Verfahrensbeteiligten rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben, die den in Aussicht gestellten Strafrahmen nicht mehr angemessen erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 21.06.2012 – 4 StR 623/11).
Hinweis: Selbstverständlich sind die Nebengebiete wie die StPO schon fester Bestandteil unserer Kurse zur Vorbereitung auf das 1. Staatsexamen. Im Referendariat und dem Assessor Examen sind vertiefte strafprozessuale Kenntnisse die absolute Grundlage. Die Verständigung im Strafprozess gemäß § 257c StPO ist hier ein beliebtes Thema in der Revisionsklausur.
III. Kritik am Deal im Strafprozess
1. Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze?
Gegen den „Deal“ im Strafprozess gem. § 257 c StPO wird häufig eingewandt, dass er wesentliche Verfahrensgrundsätze zumindest gefährdet (vgl. zum Ganzen Beulke / Swoboda, JZ 2005, 67; Beulke / Stoffer, JZ 2013, 662).
So besteht die Gefahr, dass durch eine vorschnelle Disposition über das öffentliche Strafverfolgungs- und Wahrheitsfindungsinteresse der Strafverfolgungs- und Anklagezwang der Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip gem. §§ 152 II, 160 I, 170 I StPO zugunsten des schnellen Endes eines unliebsamen Strafverfahrens ausgehöhlt wird.
Des Weiteren werden beim „Deal“ entgegen dem Öffentlichkeitsgrundsatz gem. § 169 S. 1 GVG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK viele der verfahrenserheblichen Absprachen abseits der Hauptverhandlung und damit der Öffentlichkeit geführt. Dass gem. § 273 Ia StPO die Umstände eines erfolgten bzw. nicht erfolgten „Deals“ selbst und dazugehörige Mitteilungen des § 243 IV StPO in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen sind, stellt keine gleichwertige Gewährleistung derjenigen Kontrolle der Staatsanwaltschaft und des Gerichts dar, die durch die Anwesenheit der Öffentlichkeit ausgeübt wird.
Eine Gefährdung des nemo-tenetur-Grundsatzes gem. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I, 20 III GG ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass der Angeklagte gem. § 157 HS. 2 StPO mit dem Inaussichtstellen einer geringen Straferwartung zu einem Geständnis verlockt oder mit dem Inaussichtstellen einer hohen Straferwartung dazu gedrängt wird. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass ein Richter zumindest unbewusst einen gescheiterten „Deal“ entgegen seinem Unbefangenheitsgebot zulasten des Angeklagten wertet.
Aufgrund der vorgenannten Erwägungen ist auch der fair-trial-Grundsatz (Art. 20 III GG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK), also das Recht auf ein faires Verfahren, gefährdet.
Hinweis: Die Argumentation zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Grundlagen des jeweiligen Rechtsgebietes zu verstehen (hier: Verfahrensgrundsätze der StPO) und mit ihnen zu argumentieren.
2. Billigung durch das Bundesverfassungsgericht
Dennoch ist die Verständigung im Strafverfahren im Wesentlichen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden.
In der Klausur sollte die Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO daher unterstellt werden. Jedoch ist sich das BVerfG der Brisanz der Norm durchaus bewusst, weshalb es relativ streng ist, wenn es darum geht, ob im konkreten Fall der Deal ordnungsgemäß war.
3. Klausurtipp
Hierzu kann ich Dir zur Lektüre die beiden folgenden, aktuellen Entscheidungen empfehlen:
BVerfG, Beschluss vom 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20: Anforderungen an das Geständnis
BVerfG, Beschluss vom 08.11.2023 – 2 BvR 294/22: Angeklagter muss wesentliche Inhalte der Verständigung kennen
IV. Hilfe beim Deal im Strafverfahren
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Hendrik Heinze
Geschäftsführer, Assessor Akademie und Jura Essentials Verlag
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