- 17. März 2025
- Posted by: Dr. Robert König
- Categories: Sonstiges, Tipps fürs Studium

4 Punkte oder vollbefriedigend?!
Jeder Jurastudent oder Jurastudentin kennt es: Man gibt die Klausur bzw. Hausarbeit ab und fragt sich: „Hat das jetzt für 4 Punkte gereicht?“ oder: „Schaffe ich diesmal die 9 Punkte?“.
Als angehender Jurist denkt man, dass die Benotung fast schon willkürlich geschieht. Es ist nicht nur schwer, gute Noten zu erzielen, sondern die meisten haben schon Schwierigkeiten mit dem Bestehen. Während man in anderen Studiengängen schon mit 2.0 mittelmäßig ist, gibt es juristische Prüfungen mit Durchfallquoten von 50 %. Woran liegt das und wie werden Juraklausuren eigentlich bewertet?
Dieses Thema ist enorm vielschichtig, weshalb ich ihm gleich zwei Artikel widmen möchte. Im ersten Teil thematisiere ich Inhalt und Aufbau sowie Formalien der Klausur. Im zweiten Teil geht es dann schwerpunktmäßig um den Korrektor und seinen Beurteilungsspielraum. Da ich selbst jahrelang Klausuren korrigiert habe, werde ich Euch Ratschläge aus erster Hand mitgeben.
Wie kommt die Note in der Jura Klausur & im Staatsexamen zustande?
Worauf kommt es an und was hebt eine gute von einer bloß durchschnittlichen Klausur ab? Dieser alles entscheidenden Frage wollen wir uns nun widmen.
1. Inhalt: vertretbare Lösung des Falls
Der wichtigste Punkt einer Klausurbewertung ist, dass man den Fall richtig löst. Richtig bedeutet, dass man eine vertretbare Lösung wählt.
Da das Jurastudium eine Geistes- und keine Naturwissenschaft ist, gibt es eigentlich keine objektiv wahren oder falschen Aussagen, sondern lediglich vertretbare.
Vertretbar bedeutet, dass man eine methodisch korrekte Lösung mit nachvollziehbaren (juristischen) Argumenten schreibt. Diese Lösung muss nicht zwangsläufig der Musterlösung aus der offiziellen Lösungsskizze entsprechen. De facto ist es leider jedoch so, dass die meisten Korrektoren eine von der Musterlösung abweichende Lösung als falsch bewerten. In diesem Fall hilft nur eine Remonstration.
2. Auf die Argumentation kommt es an
Und seid Euch bewusst, dass die richtige Lösung nicht ausschlaggebend für eine hohe Punktzahl ist, sondern deren Herleitung. Die relevanten Probleme des Sachverhalts müssen nicht nur erkannt, sondern bearbeitet werden.
Beispiel: Neben wir den klassischen Meinungsstreit zur Abgrenzung von Raub gem. § 249 StGB und räuberischer Erpressung gem. § 255 StGB.
Kandidat A stellt die Ansicht der Lehre und die Ansicht der Rechtsprechung korrekt dar, ohne diese jedoch näher zu begründen. Er subsumiert den Sachverhalt unter jede der beiden Ansichten und gelangt zu dem richtigen Ergebnis, dass diese divergieren. Deshalb wird eine Stellungnahme notwendig. Er entscheidet sich sodann für die Ansicht der Rechtsprechung, da diese „praxisgerechter“ sei.
Kandidat B nennt außerdem jeweils ein Argument für jede Ansicht. So spricht für die Lehre die Strukturgleichheit der räuberischen Erpressung zum Betrug, während für die Rechtsprechung vor allem der Wortlaut des § 255 StGB spricht, der gerade keine Vermögensverfügung erfordert. Sodann erläutert er in einer gelungenen Stellungnahme, warum die Lösung der Rechtsprechung praxisgerechter ist: Dies ist der Fall, da die Rechtsprechung nicht auf eine innere Willensrichtung des Opfers abstellt, sondern Raub und räuberische Erpressung nach dem äußeren Erscheinungsbild abgrenzt. Bei einer Wegnahme seitens des Täters liegt demnach Raub vor, während bei einer äußeren Weggabe seitens des Opfers eine räuberische Erpressung vorliegt. Anders als in einem vorgegebenen Klausursachverhalt ist es in der Praxis mitunter schwer, die innere Einstellung einer Person zweifelsfrei zu bestimmten. Daher ist die Lösung der Rechtsprechung praxisgerechter.
Kandidatin C übertritt Kandidaten B sogar, indem sie das Wortlautargument mit Art. 103 II GG untermauert.
Aller 3 Kandidaten haben sich richtig entschieden (selbstverständlich könnte man sich ebenso richtig, d.h. vertretbar, für die Lehre entscheiden), jedoch wird bei Kandidat A am Rand „zu oberflächlich“ stehen. Daher wird er nicht die volle Punktzahl bekommen. Kandidat B wird 95 % der auf den Meinungsstreit entfallenden Punkte erzielen und Kandidatin C die volle Punktzahl.
3. Aufbau der juristischen Klausur
Wer schon selbst eine Jura Klausur gelesen hat, dem ist bewusst, dass das Erste, was einem auffällt, der Aufbau und die Struktur der Falllösung sind.
Es kommt vor allem darauf an, die Lösung nachvollziehbar aufzubauen, die richtigen Aufzählungszeichen zu verwenden und dem Leser dadurch zu zeigen, dass man den Schwerpunkt richtig gesetzt und die Probleme erkannt hat.
Schon an den Überschriften ist bereits oft erkennbar, ob der Kandidat den Fall vertretbar gelöst hat und ob er unwichtige Informationen aussortieren konnte. Korrektoren suchen häufig nach Schlagwörtern, weshalb die Bedeutung guter Überschriften nicht unterschätzt werden sollte.
4. Gutachtenstil
Vor allem während des Studiums ist es wichtig, den Gutachtenstil zu beherrschen und in der Falllösung richtig damit zu arbeiten. Vielen Studenten passiert es gelegentlich, dass sie plötzlich im Urteilsstil schreiben und Definitionen und eine saubere Subsumtion fehlen.
Der Sinn dahinter ist es, dass der Leser dadurch dem Gedankengang des Verfassers leichter folgen kann und für diesen auch sofort erkennbar ist, ob der Kandidat sauber juristisch arbeiten kann und über ein gewisses Grundwissen verfügt. Der Gutachtenstil mag nicht der originellste und aufregendste sein, jedoch zwingt er den Kandidaten, sich mit dem Problem ausführlicher auseinanderzusetzen und viele Fehler können dadurch vermieden werden.
Der Urteilsstil, der das Gegenteil zum Gutachtenstil darstellt, sollte hingegen mit Vorsicht genossen werden. An sehr unproblematischen Stellen, ist es sehr wohl vertretbar, nur kurze Ausführungen zu machen, um sich und dem Korrektor Zeit zu ersparen. Jedoch sollte der Kandidat nicht in Versuchung geraten, auch Standardprobleme im Urteilsstil zu lösen.
Hinweis: Zu einem guten Gutachtenstil gehören auch korrekte Obersätze. Es ist ein geläufiger Fehler, dass im Eifer des Gefechts an Obersätzen gespart wird. Dies führt dann regelmäßig zu Punktabzügen.
5. Juristendeutsch & Definitionen
Neben einem guten Aufbau und dem Gutachtenstil fällt dem Korrektor natürlich sofort die Sprache auf. Hierbei kommt es aber nicht darauf an, lange und komplizierte Sätze zu schreiben, sondern die richtigen Begrifflichkeiten an der richtigen Stelle zu verwenden.
Lieber kurze Sätze mitsamt den korrekten juristischen Begriffen verfassen, anstatt den Korrektor mit „gehobenen“ und anspruchsvollen Formulierungen in den Wahnsinn zu treiben.
Auch das bei vielen Juristen beliebte Passiv sollte vermieden werden. Dieser bewusst im Passiv formulierte Satz klingt hölzern. Treffsicherer ist folgende Formulierung: „Vermeide das bei vielen Juristen beliebte Passiv.“
Hinweis: Vergesst die Ratschläge aus dem Deutschunterricht. Im Deutschunterricht geht es bei den Aufsätzen um eine literarisch „schöne“ Sprache. Jede Wissenschaft hat jedoch ihren eigenen Sprachstil. In den Rechtswissenschaften geht es um präzise und prägnante Formulierungen.
Fazit zu Teil 1
Alles in allem achtet jeder Korrektor auf eine vertretbare Lösung und die Tiefe der Argumentation. Wenn dann auch noch der Gutachtenstil und die Fachtermini sicher beherrscht werden, bewegt sich jeder Studierende auf dem richtigen Weg in Richtung Prädikatsbereich.
Im zweiten Teil erläutere ich Euch dann die Arbeit mit und an dem Gesetz und zeige auf, welche Faktoren (insbesondere solche, die in der Person des Korrektors liegen) noch wichtig sind.
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Dr. Robert König
Mitgeschäftsführer des Jura Essentials Verlags
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