Überblick über die Beweismittel der Strafprozessordnung (StPO)

Examensrelevanz: StPO Zusatzfrage im 1. Examen und StGB Klausur im 2. Examen

Schon im ersten Examen ist die StPO ein nicht zu unterschätzendes Rechtsgebiet, da StPO-Zusatzfragen in Strafrechtsklausuren regelmäßig gestellt werden. Die StPO-Zusatzfrage kann dabei dann häufig den Ausschlag zwischen zwei Notenstufen geben.

Im “schlimmsten Falle” vielleicht das Zünglein an der Waage zwischen dem Bestehen und Nichtbestehen in Deiner Klausur oder sogar zum Durchfallen im Jura Examen. Im besten Falle vielleicht den Schritt hoch zum Prädikatsexamen in Jura oder besser. Daher solltest Du das in Deiner Examensvorbereitung in Jura niemals aus dem Blick verlieren.

Im Referendariat und 2. Staatsexamen liegt es auf der Hand, dass die gesamte StPO sicher beherrscht werden muss.

Daher wollen wir uns heute einen kurzen Überblick über die Beweismittel der Strafprozessordnung verschaffen.

Strengbeweis und Freibeweis im Strafverfahren

Strengbeweisverfahren

Bezüglich der Schuld- und Straffrage gilt im Strafprozess das Strengbeweisverfahren, das die zulässigen Beweismittel auf Beweismittel im engeren Sinne in der Gestalt von Zeugen gem. §§ 48 ff. StPO, Sachverständigen gem. §§ 72 ff. StPO, Augenscheinobjekten gem. §§ 86 ff. StPO und Urkunden gem. §§ 249 ff. StPO beschränkt. Darüber hinaus wird auch die Einlassung des Beschuldigten von der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung bzw. die Einlassung des Angeklagten gem. § 157 HS. 2 StPO von dem Gericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 261 StPO als Beweismittel im weiteren Sinne berücksichtigt (vgl. Löwe / Rosenberg – Becker, § 244 StPO Rn. 4). 

Mithin sind im Rahmen des Strengbeweises die folgenden Beweismittel zu berücksichtigen:

  • Einlassung des Beschuldigten
  • Zeugen (§§ 48 ff. StPO)
  • Sachverständige (§§ 72 ff. StPO)
  • Augenscheinobjekte (§§ 86 ff. StPO)
  • Urkunden (§§ 249 ff. StPO)

Freibeweisverfahren

Der Freibeweis im Strafprozess bezieht sich auf prozessuale Fragen außerhalb der Schuld- oder Straffrage. Bei ihm findet im Gegensatz zum Strengbeweisverfahren keine Beweismittelbeschränkung statt (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 244 StPO Rn. 7). Dem Freibeweisverfahren unterfällt z.B. die Überprüfung der Prozessvoraussetzungen, die auch durch eine bloße telefonische Rückfrage des Vorsitzenden Richters erfolgen kann.

Die Einlassung des Beschuldigten bzw. Angeklagten

Bei einer geständigen Einlassung des Beschuldigten bzw. Angeklagten gem. § 157 HS. 2 StPO ist die Beweisbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung in strafrechtlichen Assessorklausuren grds. anzunehmen. Es ist also unproblematisch ohne weitere Erörterung von der Glaubwürdigkeit des Aussagenden und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage auszugehen, sofern nicht der Akteninhalt eindeutige Anhaltspunkte dafür liefert, dass die Einlassung nicht glaubhaft ist. 

Im Hinblick auf Zeugen gem. §§ 48 StPO ist hingegen stets eine Erörterung ihrer Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen geboten. Insbesondere reicht eine bloße persönliche Nähebeziehung zu dem Beschuldigten nicht aus, um die Glaubwürdigkeit des Aussagenden per se zu vereinen. Es müssten vielmehr tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen.

Die Glaubwürdigkeit des Aussagenden

Für eine Glaubwürdigkeit des Aussagenden sprechen v.a. die folgenden Anhaltspunkte:

  • Die Aussage umfasst Tatsachen, die mangels einer öffentlichen Bekanntgabe nur von einem tatsächlichen Beobachter des Tatgeschehens wahrgenommen worden sein können.
  • Die Aussage beinhaltet selbstkritische und gegebenenfalls für die Aussagenden rechtlich nachteilhafte Ausführungen.
  • Flüssiges und spontanes Vortragen der Aussage.
  • Die Aussage ist in sich schlüssig und stimmt mit dem Inhalt anderer Beweismittel überein.

Hinweis: Begrifflich ist streng zwischen der Glaubhaftigkeit und der Glaubwürdigkeit zu unterscheiden. Aussagen sind glaubhaft oder nicht glaubhaft. Aussagende sind glaubwürdig oder nicht glaubwürdig.

Fehlende Glaubwürdigkeit

Fehlende Aussagekonstanz durch eine Änderung des eigenen Aussageverhaltens bezüglich essentieller tatsächlicher Gesichtspunkte

Nachgewiesene Lügen in demselben oder vorhergegangenen Strafverfahren

Selbstbelastungsfreiheit (nemo-tenetur-Grundsatz)

Der Beschuldigte bzw. Angeklagte muss sich nach dem nemo-tenetur-Grundsatz gem. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I, 20 III GG nicht aktiv an seiner Überführung beteiligen. In diesem Sinne dürfen sein Schweigen und die damit nicht wahrgenommenen Entlastungsmöglichkeiten i.R.d. Beweiswürdigung grds. nicht zu seinen Lasten gewertet werden (OLG Dresden, Beschluss vom 17.06.2016 – OLG 21 Ss 260/16).

Etwas anderes gilt bei dem Vorliegen eines einheitlichen Tatvorwurfs bzgl. einer Tat im prozessualen Sinne gem. § 264 StPO jedoch, wenn sich der Beschuldigte bzw. Angeklagte teilweise äußert, also nur teilweise schweigt. Schließlich macht er sich auf diese Weise selbst zu einem Beweismittel, das der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 261 StPO unterliegt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die allgemeine Lebenserfahrung im Zweifel gegen die fehlende Verwirklichung eines Straftatbestands oder das Vorliegen von entlastenden Tatumständen spricht. Denn dass ein grds. aussagebereiter Beschuldigter bzw. Angeklagter von tatsächlich bestehenden Entlastungsmöglichkeiten keinen Gebrauch macht oder noch nicht einmal die betreffenden Tatvorwürfe ausdrücklich bestreitet, ist nicht objektiv nachvollziehbar (BGHSt 20, 298). 

Kein teilweises Schweigen zulasten des Beschuldigten bzw. Angeklagten liegt hingegen vor, wenn er sich bei dem Vorliegen mehrerer Tatvorwürfe bzgl. mehrerer Taten im prozessualen Sinne nur zu vereinzelten dieser Taten einlässt. Schließlich hat sich der Beschuldigte bzw. Angeklagte in diesem Fall bzgl. der mit Schweigen bedachten Taten im prozessualen Sinne nicht selbst zu einem Beweismittel gemacht, das der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegt (BGHSt 32, 140, 145).

Der Sachverständige

Ob ein aussagender Sachverständiger als ein Beweismittel in der Gestalt eines Sachverständigen gem. §§ 72 ff. StPO oder in der Gestalt eines Zeugen gem. §§ 48 ff. StPO in den Strafprozess eingeführt wird, hängt von dem Anlass der beweiserheblichen Wahrnehmung und von den zu schildernden Tatsachen ab.

Ein sachverständiger Zeuge gem. § 85 StPO berichtet über Wahrnehmungen, die er aufgrund besonderer Sachkunde, aber ohne behördlichen Auftrag gemacht hat. In diesem Sinne wird er wie ein Zeuge vernommen und nicht als Sachverständiger, der i.S.d. §§ 72 ff. StPO aufgrund eines gerichtlichen Auftrags oder des Auftrags einer Strafverfolgungsbehörde tätig wird (Gercke / Julius / Temming / Zöller – Brauer, § 85 StPO Rn. 1).

Befundtatsachen

Im Hinblick auf die zu schildernden Tatsachen ist zu beachten, dass bei Befundtatsachen in der Gestalt gutachterlicher Umstände und entsprechender Schlussfolgerungen, die nur durch einen Sachver-ständigen mit einer besonderen Sachkunde festgestellt werden können, bei einem behördlichen Auftrag das Beweismittel des Sachverständigen einschlägig ist (BGH, StV 1995, 57).  

Zusatztatsachen

Bei Zusatztatsachen in der Gestalt bloß zufällig wahrgenommener Umstände, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung stehen und die prinzipiell jedermann feststellen kann, ist hingegen das Beweismittel des Zeugen einschlägig. Der betreffende Sachverständige wird in diesem Zusammenhang als ein Zeuge vom Hörensagen vernommen (BGH, NStZ 1993, 245, 246). 

Wichtigkeit der Unterscheidung

Die Differenzierung zwischen dem Beweismittel des Sachverständigen und demjenigen des Zeugen ist v.a. im Hinblick auf eine etwaige Ablehnung entscheidend.

So kann ein Sachverständiger i.S.d. §§ 72 ff. StPO aufgrund von § 74 StPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die gem. §§ 22 ff. StPO zur Ablehnung eines Richters berechtigen.

Dies ist bei einer Vernehmung des Sachverständigen als Zeuge hingegen nicht möglich (Gercke / Julius / Temming / Zöller – Brauer, § 85 StPO Rn. 1).

Auch können nur behördliche Sachverständigengutachten wie ein Blutalkoholkonzentrationsgutachten (BAK-Gutachten) unter den Voraussetzungen des § 256 I Nr. 1 b StPO verlesen werden.

Wenn die Aussage eines Sachverständigen hingegen nach den Grundsätzen des Zeugenbeweises zu behandeln ist, kann der betreffende Beweisinhalt wegen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im materiellen Sinne gem. § 250 StPO grds. nicht als Urkundenbeweis gem. §§ 249 ff. StPO durch eine Verlesung des Sachverständigengutachtens in den Strafprozess eingeführt werden. Vielmehr ist der Sachverständige in diesem Fall als ein Zeuge richterlich zu vernehmen.

Allgemein ist zu beachten, dass eine zuvor als Sachverständiger tätig gewordene Person zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens als Zeuge zu seinen sinnlichen Wahrnehmungen vernommen werden kann (BGH, Beschluss vom 20.01.2016 – 4 StR 376/15; Gercke / Julius / Temming / Zöller – Brauer, § 85 ZPO Rn. 5).

Augenschein und Urkunde

Bei dem Beweismittel des Augenscheinobjekts gem. §§ 86 ff. StPO wird gerichtlich durch unmittelbare sinnliche Wahrnehmung über eine Tatsache Beweis erhoben.  

Kommt es etwa nicht auf den Inhalt einer Urkunde, sondern nur auf ihr tatsächliches Vorliegen oder ihre Beschaffenheit an, so sind diese Tatsachen durch das Beweismittel des Augenscheinobjekts in den Strafprozess einzuführen (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 249 StPO Rn. 7). 

Kommt es hingegen auf den Inhalt einer Urkunde an, so sind die betreffenden Tatsachen durch das Beweismittel der Urkunde gem. §§ 249 ff. StPO in den Strafprozess einzuführen (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 249 StPO Rn. 1). 

Fazit zu den Beweismitteln der Strafprozessordnung

Die Kenntnis der Grundzüge des Beweisverfahrens ist schon im ersten Examen elementar, um die StPO Zusatzfrage richtig zu beantworten. Außerdem ist das Prozessrecht generell – egal ob im Zivilrecht, öffentlichen Recht oder Strafrecht – für die mündliche Prüfung wichtig. Wenn Du einen Praktiker (z.B. Staatsanwalt oder Richter) als Prüfer hast, stellt er gerne Fragen aus seinem täglichen Aufgabenbereich, also insbesondere auch aus dem Prozessrecht. Ein gutes Jura Repetitorium oder eine gute Jura Nachhilfe sollten auf die StPO Fragen wirklich vertieft eingehen. Das ist bedeutsam.

Im 2. Staatsexamen ist die sichere Kenntnis einer Beweiswürdigung im Strafprozess elementar. Diese kann in jeglicher Klausur (StA, Revision, Urteil) abgeprüft werden.

Egal ob Grundstudium, erstes Jura Examen oder zweites Staatsexamen, die Kraatz Group mit der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch bei der Vorbereitung mit Rat und Tat zur Seite.

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Hendrik Heinze

Geschäftsführer, Assessor Akademie Kraatz und Heinze GbR

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