§ 211 StGB: Der niedrige Beweggrund als Mordmerkmal

Jura online lernen: der niedrige Beweggrund ist ein häufiger Klausurgegenstand

Das Mordmerkmal „aus niedrigen Beweggründen“ nach § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB stellt eines der wichtigsten Mordmerkmale in strafrechtlichen Klausuren mit Tötungsdelikten dar. Das liegt daran, dass die Prüfer bei diesem Mordmerkmal sehr gut abprüfen können, ob Du Deinen juristischen Handwerkskoffer verstanden hast. Auch lässt sich Mord vortrefflich mit Problemen des Strafrecht AT verknüpfen.

Grund genug, diesem klausurträchtigen Mordmerkmal einen eigenen Blogbeitrag zu widmen.

Definition des Mordmerkmals „niedrige Beweggründe“

Niedrig ist ein Beweggrund dann, wenn er nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verwerflich (= verachtenswert) ist.

Die übrigen Mordmerkmale der ersten Gruppe (Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes und Habgier) sind spezielle Fälle des Mordmerkmals „sonstiger niedriger Beweggrund“. Die sonstigen niedrigen Beweggründe müssen also mit den übrigen Mordmerkmalen der ersten Gruppe im Unrechts- und Schuldgehalt vergleichbar sein.

Wie ist in der Strafrecht Klausur zu bestimmen, ob das Mordmerkmal vorliegt?

Das Vorliegen des Mordmerkmals beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall. Vor allem der Anlass zur Tat ist wichtig. Ist dieser im Hinblick auf die Folgen der Tat nachvollziehbar (z.B. Tötung im Affekt nach einer schweren Kränkung) oder steht die Tötung völlig außer Verhältnis zum Anlass der Tat? In letzterem Fall liegen sonstige niedrige Beweggründe vor.

Bei Vorliegen eines „Motivbündels”, bei welchem nur ein Motiv als „niedrig” eingestuft werden kann, muss dieses jedenfalls das Hauptmotiv, also dominant gewesen sein und nicht nur eines unter mehreren. 

Ein Mord aus niedrigen Beweggründen kann vorliegen, wenn der Täter einen anderen Menschen zum Objekt seiner Wut und Gereiztheit macht, an deren Entstehung der andere nicht den geringsten Anteil hat. Hier ist die Tötung durch eine hemmungslose Eigensucht bestimmt.

Ein Mord aufgrund eines niedrigen Beweggrundes kann auch vorliegen, wenn der Täter in dem Bewusstsein handelt, keinen Grund für die Tötung zu haben. Gleiches gilt für den Fall, dass der Täter bewusst seine frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer abreagiert. Dies ist sittlich verwerflich und deshalb besonders verachtenswert.

Ob im Einzelfall ein niedriger Beweggrund – und damit Mord gem. § 211 StGB anstatt Totschlag nach § 212 StGB – vorliegt, bedarf immer der sorgfältigen Beurteilung der Umstände der Tat. Aus diesen muss sich im Rahmen einer Gesamtwürdigung die besondere Verwerflichkeit der Tat ergeben. Dabei ist zu beachten, dass bei Zweifeln am Vorliegen eines Mordmerkmals aufgrund des deutlich erhöhten Strafrahmens des Mordes gegenüber dem Totschlag zugunsten des Täters zu entscheiden ist (restriktive Auslegung).

Nachvollziehbare Gefühlsregungen – wie die Tötung eines anderen aufgrund einer vorherigen schweren Kränkung – stellen in der Regel keinen niedrigen Beweggrund dar. Ein derartiges Tötungsdelikt ist kein Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters.

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Wichtige Beispiele für niedrige Beweggründe i.S.d. § 211 StGB

Falls in Deinem Sachverhalt eine der folgenden Fallgruppen auftritt, nimmt die Musterlösung das Mordmerkmal an. Erwartet wird aber auch hier, wie immer in Deiner Jura Klausur, dass Du dieses Ergebnis sauber (und im Gutachtenstil) herleitest und im Rahmen der Gesamtwürdigung alle im Sachverhalt genannten Tatumstände bewertest:

  • Rassismus
  • Ausländerfeindlichkeit
  • Angeberei
  • Imponiergehabe
  • Hass und Rachsucht ohne nachvollziehbare Ursache
  • Grundlose Eifersucht (ist z.B. die Eifersucht hingegen menschlich verständlich, liegt das Tatmotiv nicht nach sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe)
  • Wut/Zorn/Enttäuschung, an deren Ursache das Opfer keinen Anteil hat

Die Klassiker in der Klausur: Blutrache und Ehrenmorde

Problematisch ist die Bewertung als „niedrig” vor allem, wenn das Tötungsmotiv beispielsweise „Blutrache“ oder auch “Ehrenmord” lautet, also einer bestimmten kulturellen Wert- und Ehrvorstellung entspricht. 

Hier sollte man sich merken, dass für die Bestimmung der niedrigen Gesinnung nur das deutsche Recht und damit “die hiesige Wertegemeinschaft” maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 20.2.2002 – 5 StR 538/01). Die Tatsache, dass Blutrache in anderen Ländern oder Kulturen nicht als besonders verachtenswert, sondern ggf. sogar als “notwendig” erachtet wird, spielt nach Ansicht des BGH grds. keine Rolle. 

Fall lösen: Tötung von Intimpartnern

Fraglich ist oftmals in Klausuren, ob ein niedriger Beweggrund bei Tötung der Intimpartnerin (Fälle, in denen die Frau den Mann tötet, kommen praktisch nicht vor) vorliegt. 

Dazu folgender Fall aktueller Fall, der an BGH, Beschluss vom 17.04.2024 – 1 StR 92/24, angelehnt ist. Diesen Fall findest Du selbstverständlich auch in unseren neuen Jura Skripten.

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Sachverhalt

Der Angeklagte war wütend und verletzt, weil seine Frau mit ihrem neuen Freund in ihrem gemeinsamen Eigenheim lebte, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Deswegen beschloss er, zuerst die Garage mit dem Auto und dann das Haus in Brand zu setzen. Den Tod seiner Frau oder ihres Partners nahm er dabei in Kauf. Seine Frau, die als einzige im Haus war, kam in den Flammen um.

Lösung

Fraglich ist, ob hier ein niedriger Beweggrund vorlag. Gefühle wie Zorn, Wut oder Verärgerung können niedrige Beweggründe darstellen, sofern sie ihrerseits auf solchen beruhen. Sie dürfen also nicht menschlich nachvollziehbar bzw. verständlich, sondern vielmehr ein Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sein.

In der Rechtsprechung der Strafgerichte gibt es mittlerweile viele Fälle zur Tötung von Intimpartnern. Der BGH nimmt insbesondere dann niedrige Beweggründe an, wenn die Motivation des Täters auf Besitzdenken und Bestrafungswillen beruht. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Täter war verletzt von der Trennung und wütend. Diese Gefühle hatten ihre Ursache in der Sphäre des Opfers, die sich von ihm getrennt hatte und nunmehr mit einem anderen Mann im gemeinsamen Haus lebte. In diesem Fall kann man daher mit vertretbaren Argumenten annehmen, dass die Gefühle noch nachvollziehbar sind, und deshalb das Mordmerkmal verneinen.

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