- 9. Juli 2025
- Posted by: Sophie Goldenbogen
- Category: Zivilrecht

Heute wagen wir uns an ein ganz heißes Eisen: die Saldotheorie im Bereicherungsrecht! Unter anderem, weil das Bereicherungsrecht im Studium ohnehin recht stiefmütterlich behandelt wird, durchdringen diese Thematik viele Studierende erst sehr spät. Dabei lassen sich hier eigentlich einfache Punkte holen.
Zunächst aber wollen wir, wie üblich, an dieser Stelle auf ein verwandtes Thema verweisen, um die notwendige Verknüpfung herzustellen. Es geht um das Thema Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechte. Hierzu gibt es bereits einen →Beitrag in unserem Blog, den sicher einige noch kennen. Hier haben wir gelernt, dass man sich nicht einfach zurücklehnen darf, wenn man eine Anspruchsgrundlage gefunden hat und der hierauf gestützte Anspruch entstanden ist. Es gibt ja schließlich noch die Frage, ob der Anspruch nicht vielleicht erloschen oder nicht ohne Weiteres durchsetzbar ist. Eine Falle, in die viele Bearbeiter:innen tappen, ist, Zurückbehaltungsrechte oder mögliche Aufrechnungsmöglichkeiten zu übersehen. Grund dafür ist, dass die Fallfrage ausdrücklich oft nur nach den Ansprüchen einer Person (K) gegen eine andere Person (V) fragt. Werden im Sachverhalt allerdings mögliche gleichartige oder ungleichartige Gegenansprüche des V erwähnt, sind diese unbedingt im Rahmen einer Aufrechnung durch V oder eines Zurückbehaltungsrechts zugunsten des V zu prüfen. Es hilft dem Anspruchsteller K nämlich schlussendlich nichts, dass sein Anspruch entstanden ist, wenn dieser vielleicht ganz oder teilweise untergegangen oder nicht durchsetzbar ist. Das sollte man dringend im Hinterkopf behalten. Es schadet auch nicht, wenn eine etwaige Aufrechnung des V noch nicht erklärt worden ist oder der V das Zurückbehaltungsrecht noch nicht geltend gemacht hat. In diesem Fall sollte dennoch die Aufrechnungslage oder das Zurückbehaltungsrecht geprüft werden. Es verhält sich hier wie mit jedem Gestaltungsrecht: Man muss immer damit rechnen, dass dieses noch ausgeübt wird (wenn es nicht verfristet ist).
Warum dieser Einstieg? Diese Überlegung ist wichtig für das Verständnis der Saldotheorie. Bei der Rückabwicklung von nichtigen, gegenseitigen Verträgen, für die die Saldotheorie entwickelt wurde, stellt sich genau die gleiche Frage.
Übrigens: Unsere Jura Einzelrepetitorien und auch das Jura Gruppenrepetitorium sind auch so konzipiert: Unser bewährtes Konzept verbindet neue Themen immer wieder mit bereits Gelerntem und festigt so dein Wissen langfristig. Die langjährige Erfahrung unserer Dozenten zeigt, dass die Teilnehmer mit dieser Methode das BGB ganzheitlich verstehen. Viele unserer Dozenten waren selbst einmal als Prüfer tätig und wissen daher ganz genau: Das ist im Examen Gold wert. Denn hier tauchen unbekannte Probleme auf, die man nur lösen kann, wenn man die Mechanismen des Zivilrechts verstanden hat. Neugierig geworden? Schau dir gerne die Erfahrungsberichte erfolgreicher ehemaliger Teilnehmer an und nimm Kontakt zu uns auf!
Ein Einstiegsbeispiel
Wenn wir uns nun das Wissen zu den Zurückbehaltungsrechten und zur Aufrechnung noch einmal vor Augen geführt haben, schauen wir uns nun folgendes Beispiel an:
K und V haben am Montag einen Kaufvertrag geschlossen. Da war V leider geschäftsunfähig. Am Mittwoch treffen sich K und V wieder. V ist jetzt wieder geschäftsfähig, und K und V tauschen die (vermeintlich geschuldeten) Leistungen aus. K hat also dem V Bargeld übereignet, der V hat dem K die Kaufsache übereignet. Am Freitag begreift der K, dass V am Montag geschäftsunfähig war. K fordert daher von V sein Geld zurück. Zu Recht?
Hier haben wir also einen gegenseitigen Kaufvertrag, der jedoch wegen der Geschäftsunfähigkeit des V nichtig ist. Dieses unwirksame Vertragsverhältnis soll jetzt rückabgewickelt werden. Wie ist das möglich? Na, ganz einfach.
Der K hat gegen den V einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB. V hat nämlich durch Leistung des K Eigentum und Besitz am Bargeld erlangt. Da der Kaufvertrag nichtig ist, hat V keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Bargeldes. V muss also das rechtsgrundlos Erlangte wieder herausgeben. Da V aber die konkreten Geldscheine nicht mehr herausgeben kann, muss er gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz leisten. So erhält also K von V sein Geld zurück. Der Anspruch des K ist entstanden.
So. Und jetzt legen die Studis die Hände im Schoß zusammen und sagen: „Ich bin fertig mit der Fallfrage.“
Aber Achtung! Der Anspruch ist entstanden, man muss ja aber noch fragen, ob der Anspruch des K gegen V nicht vielleicht erloschen oder nicht durchsetzbar ist. Der K bekommt von V Geld, ja, aber bekommt der V vielleicht auch noch etwas von K? Wenn V auch noch Geld von K bekommen würde, dann wäre jetzt eine Aufrechnung zu prüfen. In der Folge wäre dann der Anspruch des K auf Zahlung von Geld ganz oder teilweise erloschen. In unserem Beispiel ist nicht ersichtlich, warum der V vom K noch Geld bekommen soll. Aber nur wer so fragt, versteht jetzt, warum in einer Examensklausur vielleicht plötzlich die Rede davon ist, dass der V dem K ein Jahr zuvor Geld „geliehen“ hat. V hat dann ja einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). V könnte dann aufrechnen. Und bitte dran denken! Auch wenn der Sachverhalt nicht von einer Aufrechnung redet, wäre sie dennoch zu prüfen. Bei dem Prüfungspunkt der Aufrechnungserklärung schreibt man dann einfach: „Die Aufrechnung ist von V noch nicht erklärt worden. Sie ist aber nicht fristgebunden und könnte noch erklärt werden.“
Soweit, so gut. Zurück zu unserem Beispiel. Der Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises ist entstanden und nicht erloschen, da V keinen gleichartigen Gegenanspruch auf Zahlung von Geld hat. Sind wir jetzt fertig? Nein! Wir müssen jetzt noch prüfen, ob der Anspruch von K gegen V auf Zahlung von Geld durchsetzbar ist. Das ist dann nicht der Fall, wenn der V ein Zurückbehaltungsrecht beispielsweise aus § 273 Abs. 1 BGB hat. Dafür bräuchte er nur einen ungleichartigen Gegenanspruch, der im Zusammenhang mit dem Anspruch des K steht. Und hier ist nun das Einfallstor für die Prüfung des Gegenanspruchs! Denn V hat dem K die Kaufsache übergeben und übereignet. Die möchte er nun zurückhaben. Und dafür hat V seinerseits einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch muss natürlich sauber geprüft und schließlich bejaht werden.
Wer bis hierhin alles verstanden hat, hat schon ein solides Grundverständnis im Bereicherungsrecht. Wir sehen immer wieder, dass eine solide Grundlagenkenntnis der Schlüssel zum Bestehen im Examen ist. Mit Teilnehmern, die in der Vergangenheit Schwierigkeiten im Zivilrecht hatten und sich im Verbesserungsversuch, Wiederholungsversuch oder im Zweitversuch befinden, arbeiten wir daher gezielt daran, dieses Grundgerüst zu bauen. Es hilft nichts, jeden Streit auswendig zu lernen, wenn die Basics nicht sitzen. Unsere Dozenten können dabei individuell auf deine Fragen und Problemfelder eingehen. Wenn dich mehr zum Thema Auswendiglernen im Examen interessiert, schau gerne bei diesem → Blogbeitrag vorbei.
1. Die erste Besonderheit der Saldotheorie: ungleichartige Ansprüche, Zurückbehaltungsrecht
Nachdem wir nun die Grundlagen erarbeitet haben, kommen wir jetzt aber zu einer Besonderheit. Der BGH sagt, dass bei der Rückabwicklung eines nichtigen, gegenseitigen Vertrages der V gar nicht das Zurückbehaltungsrecht explizit als Einrede geltend machen muss. Sein Gegenanspruch auf Rückübereignung der Kaufsache ist vielmehr „von Amts wegen“ zu berücksichtigen. Das ist der erste, wichtige Aspekt der Saldotheorie: Wenn K und V bei der Rückabwicklung wechselseitige, ungleichartige Ansprüche aus § 812 BGB haben, so sind diese sozusagen zu „einer Kondiktion“ verknüpft. Je nachdem, wer etwas will, kann dann sozusagen nur dann seine erbrachte Leistung zurückfordern, wenn er seinerseits dasjenige herausgibt, was der andere ihm geleistet hat. In unserem Beispielsfall heißt das: K hat gegen V aus § 812 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, und zwar nur Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Kaufsache an den V. Und wenn umgekehrt der V vom K die Rückübereignung der Kaufsache fordern würde, könnte V das gem. § 812 BGB nur Zug-um-Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises an den K verlangen. Das ist die eine Seite der Saldotheorie. Der BGH begründet das damit, dass bei einem nichtigen, gegenseitigen (synallagmatischen) Vertrag das Synallagma, also die Gegenseitigkeit der Ansprüche, faktisch fortwirken muss und bei der Rückabwicklung des einen Anspruchs nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass ja auch der andere einen Anspruch hat. Jeder Bereicherungsgläubiger, also jemand, der einen Anspruch aus § 812 BGB gegen einen anderen hat, weil der gegenseitige Vertrag (z.B. Kauf, Tausch) unwirksam ist, kann Rückgewähr seiner erbrachten Leistung nur erhalten, wenn er von sich aus die vom anderen empfangene Gegenleistung Zug-um-Zug anbietet.
K verlangt Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 BGB.
V fordert Rückübereignung der Kaufsache aus § 812 BGB.
Ergebnis: Beide Ansprüche werden miteinander „saldiert“ – K bekommt den Kaufpreis zurück, aber nur Zug um Zug gegen Rückübereignung der Kaufsache.
Diese eigentlich einfachen Zusammenhänge werden in der Universität und in Lehrbüchern oft unnötig kompliziert ausgedrückt. Bei der Kraatz Group arbeiten wir hingegen die Themen so für unsere Teilnehmer auf, dass man sie wirklich versteht. Mit unseren Jura Individualkursen oder unseren Jura Kleingruppenkursen bist du von Anfang an gut aufgestellt für deinen Weg zum Prädikatsexamen! Unsere Jura online Repetitorien gibt es übrigens deutschlandweit, zum Beispiel in Berlin, München oder Bonn.
2. Die zweite Besonderheit: gleichartige Ansprüche, Aufrechnung
Die Saldotheorie hat aber noch eine weitere Komponente. Schauen wir uns dazu die folgende Situation an:
V und K haben erneut am Montag einen unwirksamen Kaufvertrag geschlossen. Am Freitag aber haben sie wirksam die (in Wahrheit gar nicht geschuldeten) Leistungen ausgetauscht, V hat dem K also die Kaufsache übereignet und K hat den Kaufpreis an V bezahlt. Dann aber erfährt der K, dass der Kaufvertrag unwirksam war. Trotzdem schmeißt er den Gegenstand (Wert: 50 €) einfach weg! Dann geht er zu V und verlangt von diesem seinen Kaufpreis zurück (60 €). Zu Recht?
Auch hier prüfen wir erneut einen Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises. Der Anspruch ist im Grunde auch entstanden, denn V hat Eigentum und Besitz am Bargeld i.H.v. 60 € durch Leistung des K, aber ohne Rechtsgrund erlangt. Sind wir damit fertig? Nein! Wir dürfen nicht vergessen, dass auch der V einen Gegenanspruch haben könnte. In einer normalen Situation würden wir nun unter „Anspruch erloschen“ eine etwaige Aufrechnung des V gegen den K mit einem Geldanspruch prüfen. Der BGH aber sagt erneut: Der V braucht die Aufrechnung gar nicht zu erklären, genauso wenig wie V ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen muss. Das erledigt das Gericht von Amts wegen! Denn der BGH sagt, dass bei der Rückabwicklung von nichtigen, gegenseitigen Verträgen wechselseitige Ansprüche, die beide auf Geld gerichtet sind, von Amts wegen zu saldieren sind. Nur derjenige, zu dessen Gunsten sich ein Saldo ergibt, hat dann einen Anspruch. So. Jetzt stellt sich hier die Frage, ob der V gegen den K einen Anspruch auf Zahlung von 50 € Wertersatz hat, denn Rückübereignung der Sache kann der V schlecht verlangen, da die Sache von K weggeschmissen und dadurch zerstört wurde. Der Ersatzanspruch im Bereicherungsrecht, der zugunsten des V an die Stelle des Herausgabeanspruchs tritt, ergibt sich aus § 818 Abs. 2 BGB. Die Herausgabe des ursprünglich Erlangten ist für den K unmöglich und damit muss K den Wert der Sache ersetzen. Doch dann kann sich K noch auf § 818 Abs. 3 BGB berufen. K ist nämlich in der Tat entreichert. Entreicherung liegt vor, wenn das ursprünglich Erlangte weder der Substanz nach noch dem Werte nach im Vermögen des ursprünglich Bereicherten sich befindet. K hat weder die Sache selbst noch einen sonstigen Ersatzanspruch.
Zurück zu unserer Fallfrage: Der K scheint also einen Anspruch gegen V auf Zahlung von 60 € zu haben, V hat aber keinen Anspruch gegen K? Das erscheint ungerecht, da der K ja in positiver Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund seine eigene Entreicherung herbeigeführt hat. Hier greifen §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 292, 989 BGB. Diese vielfach gefürchtete Normenkette sagt im Grunde etwas ganz Einfaches: Wer entweder aus § 812 BGB rechtshängig verklagt ist (§ 818 Abs. 4 BGB) oder von einem Herausgabeanspruch einer anderen Person gegen einen selbst weiß (§ 819 Abs. 1 BGB), haftet nach den „allgemeinen Vorschriften“, womit § 292 BGB gemeint ist, der wiederum auf die Schadensersatzhaftung gem. § 989 verweist. In § 989 ist aber nur der einfache Rechtsgedanke enthalten, dass, wer schuldhaft eine Sache zerstört, die er eigentlich herauszugeben hat, dafür Schadensersatz zahlen muss. Lange Rede, kurzer Sinn: Der K schuldet dem V über diese Normenkette also doch Wertersatz i.H.v. 50 €.
Was hier zunächst nur in den Grundzügen angerissen wird, wird natürlich in den Unterrichtseinheiten vertieft. Wir setzen darauf, zunächst einen Einstieg in Rechtsfragen zu finden und das Thema einmal ganz unkompliziert und heruntergebrochen darzustellen. Danach geht es um Vertiefung, Verknüpfung und Wiederholung. Das gelingt Dir mit unserem innovativen blended learning Konzept. Wir verbinden den maßgeschneiderten Einzel- oder Kleingruppenunterricht mit unseren Jura Skripten und online Lernvideos. So kannst du deine Examensvorbereitung optimal an deine Bedürfnisse anpassen.
Zurück zu unserem Fall. Der V bekommt von K aus §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB die 50 €, der K von V aus § 812 BGB 60 €. Die Saldotheorie sagt: Wir saldieren diese beiden Ansprüche, sodass am Ende nur ein Überschuss zugunsten einer Person besteht, hier: 10 € Überschuss zugunsten von K. Nur K erhält also von V noch 10 € zurück.
K verlangt Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 BGB i.H.V. 60 €.
3. Die Idee der Saldotheorie
Diese beiden Einstiegsfälle illustrieren also im Grunde nur folgende Idee der Saldotheorie: Obwohl es zunächst so scheint, als würden bei einem nichtigen Kaufvertrag, bei dem die gegenseitigen Leistungen ausgetauscht sind, jeder einen eigenen Anspruch aus § 812 BGB gegen den anderen haben, gibt es am Ende in Wahrheit nur einen einzigen Anspruch. Zunächst denkt man, es gibt einfach zwei Kondiktionen. Der BGH aber sagt mit seiner Saldotheorie: Eigentlich gibt es nur eine Kondiktion. Die zwei § 812er Ansprüche sind eigentlich nur ein einziger Anspruch aus § 812 BGB. Man könnte insofern, nicht offiziell, aber um es sich besser merken zu können, auch von der „Einkondiktiontheorie“ des BGH sprechen. Aber all unsere Überlegungen dienten bisher nur dazu, die eigentlich klassische Saldotheorieklausur vorzubereiten.
4. Die klassische Fallkonstellation
Der Sachverhalt lautet hier immer wie folgt: Der Käufer K kauft beim Verkäufer V eine Kaufsache (Wert: 40 €). Der Kaufvertrag ist unwirksam, die Übereignung der Kaufsache an K ist wirksam. K hat den Kaufpreis (50 €) bereits an den V gezahlt. Der K glaubt nicht nur, dass er, was stimmt, Eigentümer ist, sondern auch, dass der Kaufvertrag wirksam ist. Der K geht also nicht davon aus, dass er seinen Kaufpreis jemals wiedersehen wird. Warum auch? Er hat ja schließlich für das Geld eine Sache gekauft, von der er dachte, dass er sie gebrauchen könnte. Dann aber stellt sich heraus, dass der K die Sache gar nicht so wirklich braucht. K schmeißt sie daher in den Müll. Dann aber erfahren V und K, dass der Kaufvertrag unwirksam ist. Plötzlich kommt der K auf die Idee, dass er ja dann von dem V den Kaufpreis zurückverlangen könnte. Fallfrage: Kann K von V Rückzahlung des Kaufpreises verlangen?
5. Die dritte Besonderheit: Saldo vor Entreicherung
Im Grunde ergeben sich keine Änderungen zu unserem bisherigen Fall. Der V hat in der Tat Eigentum und Besitz am Bargeld i.H.v. 50 € durch Leistung des K ohne Rechtsgrund erlangt. Der K könnte also 50 € zurückverlangen. Dann aber fragt sich V, ob denn nun nach der Saldotheorie der Anspruch des K nicht mit irgendeinem Anspruch des V „verrechnet“ wird. Aber was für einen Anspruch soll der V haben? Einen Anspruch auf Rückübereignung der Kaufsache scheidet aus, da die Sache untergegangen ist. V könnte jedoch sagen, dass er gegen den K gem. §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Wertersatz i.H.v. 40 € hat. Hier aber wird der K wieder behaupten, dass er gem. § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist, was diesmal auch stimmt. Wir können hier, anders als im obigen Fall, nicht sagen, dass K gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB haftet, da K nicht bösgläubig war. Der BGH hat aber entschieden, dass es nicht fair wäre, wenn der K den vollen Kaufpreis zurückbekäme, obwohl K dem V selbst nichts herausgeben kann. Der BGH würde es technisch so ausdrücken: Eigentlich sollte doch der K als Empfänger der Sachleistung das Verschlechterungs- und Untergangsrisiko tragen. Als der K den Untergang der Sache bewirkt hat, hat er ja schließlich auch nicht darauf vertraut, den Kaufpreis wieder zurückzuerhalten. Es war ja viel mehr die „vermögensmäßige Entscheidung“ des K, eine Sache zu haben statt Geld. Und dann hat K sich entschieden, nicht einmal mehr die Sache zu haben. Dann wäre es jetzt nicht fair, wenn diese Entscheidung am Ende doch zulasten des V ginge. Aber was tut der BGH, um dem V zu helfen? Der BGH schreibt dann an dieser Stelle Folgendes: „Das, was der Käufer wegen seiner Entreicherung dem Verkäufer nicht mehr zurückgeben kann, wird wertmäßig vom eigenen Anspruch abgezogen.“ Aha! Es wird also am Ende doch wieder saldiert. Der K erhält vom V die 50 € Kaufpreis wieder, aber wir saldieren diesen Anspruch mit dem Wert der Entreicherung des K (40 €). Manchmal wird die Vorgehensweise auch so ausgedrückt: „Fällt bei einer Partei (das ist in euren Klausuren in der Regel der gutgläubige Käufer ohne Kaufvertrag) die Bereicherung weg, so wird der Wert der Entreicherung zum Saldierungsposten beim eigenen Bereicherungsanspruch gegen den anderen.“
K verlangt Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 BGB i.H.V. 50 €.
Im Ergebnis haben wir damit eine faire Lösung, die berücksichtigt, was die Parteien ursprünglich wollten und worauf sie vertrauen durften. Natürlich gibt es aber auch Stimmen in der Literatur, die die Lösung des BGH kritisieren.
Die Zweikondiktionentheorie
Die Vertreter der sogenannten „Zweikondiktionentheorie“ wollen an dem Ergebnis nichts korrigieren oder saldieren. Ihr Hauptargument lautet: Von der Saldotheorie steht schlicht und ergreifend nichts im Gesetz. Es gibt auch noch einen weiteren Ansatz, die sogenannte modifizierte Zweikondiktionentheorie, der versucht, den § 818 Abs. 3 BGB teleologisch zu reduzieren, anstatt Ansprüche zu saldieren. Damit will man vor allem den Schwächen der Saldotheorie entgegenwirken, weil sie zum Beispiel dem Verkäufer nicht hilft, wenn er in Vorleistung getreten ist. Aber ihr kommt gut durch die Examensklausur, wenn ihr nur die Saldotheorie und ihre Ausnahmen kennt. Die Ausnahmen zur Saldotheorie werden jedoch nicht vertieft in diesem Beitrag.
Wenn dir jetzt schon der Kopf raucht, ist das nicht weiter dramatisch. Das Bereicherungsrecht macht vielen Examenskandidat:innen Schwierigkeiten. Mit dem richtigen, auf dich angepassten Lernplan kannst du aber deine Lücken füllen. Schau gerne bei diesem → Blogbeitrag vorbei. Hier haben wir einmal die Tipps und Tricks für deinen optimalen Jura Lernplan zusammengestellt, die unser Team von der Kraatz Group durch die jahrelange Erfahrung entwickelt und erprobt hat. Wenn du Unterstützung gebrauchen kannst, melde dich noch heute bei uns und vereinbare ein kostenloses Beratungsgespräch!
Alles klar?
Im Unterricht machen wir übrigens oft die Erfahrung, dass es für viele Teilnehmer hilfreicher ist, sich eine weitere Formulierung der Saldotheorie zu merken. Wem die bisherigen Formulierung des BGH zu kompliziert ist, kann sich die Saldotheorie auch wie folgt merken: Zwei Bereicherungsansprüche aus §§ 812 BGB werden, wenn es sich um einen nichtigen, wechselseitigen Vertrag gehandelt hat, unabhängig von einer etwaigen Entreicherung saldiert. Nur auf den übrigen Saldo ist dann § 818 Abs. 3 BGB anzuwenden. Schauen wir, ob wir das gelernte Wissen auf diesen Fall anwenden können. V und K haben wieder einmal einen (unerkannt) unwirksamen Kaufvertrag abgeschlossen, aber ihre Leistungen wirksam ausgetauscht. Der Kaufpreis beträgt 10 €, der Wert der Sache beläuft sich auf 15 €. Der Käufer hätte also ein Schnäppchen gemacht! Aber der Kaufvertrag ist ja nichtig. Das wissen V und K aber nicht. K stellt schließlich wieder fest, dass er die Sache nicht braucht und wirft sie in den Müll. Als V und K herausfinden, dass der Kaufvertrag nichtig war, fragen sie sich, wer was von wem verlangen kann? Nun, die Saldotheorie sagt, dass man schauen soll, ob beide einen Anspruch aus § 812 BGB haben. Dabei soll man einfach kurz ignorieren, dass einer der beiden (hier K) eigentlich gem. § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist. Das würde bedeuten, dass K gem. § 812 Abs. 1 BGB gegen V einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 10 € hat, der V gegen den K einen Anspruch auf Wertersatz gem. §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB i.H.v. 15 € hat. Wenn man diese beiden Ansprüche von Amts wegen, also, ohne dass es einer Aufrechnung von V oder K bedarf, saldiert, ergibt sich ein positiver Saldo zugunsten des V. V kann also eigentlich gem. §§ 812, 818 Abs. 2 BGB 5 € Wertersatz verlangen. Aber halt! Jetzt müssen wir doch noch die (zunächst zurückgestellte) Entreicherung des K anwenden und dann feststellen, dass der K entreichert ist. Ergebnis: Weder V noch K haben Ansprüche.
Fazit
Das soll vorerst genügen. Es ließe sich jetzt noch einiges über die Ausnahmen zur Saldotheorie sagen. Die wichtigste ist, dass sie nicht bei Minderjährigen und bei arglistig Getäuschten angewendet wird.
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Sophie Goldenbogen
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