Die Vormerkung (§§ 883 ff. BGB): Rechtsnatur, (gutgläubiger) Erwerb, Übertragung

I. Rechtsnatur und Erwerb einer Vormerkung (§§ 883 ff. BGB)

Das Immobiliarsachenrecht gilt nicht umsonst als die Königsdisziplin des Zivilrechts. Im heutigen Beitrag möchten wir uns eine der wichtigsten Thematiken des Grundstücksrechts näher ansehen: die Vormerkung, § 883 BGB.

Wie wird eine Vormerkung erworben und welche Funktion hat sie? Insbesondere der Streit um die Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs der Vormerkung ist klausurrelevant.

Tipp: Besuche unseren kostenlosen Crashkurs Sachenrecht II – Immobiliarsachenrecht! Dieser findet zweimal im Jahr (am Ende jedes Semesters) statt.

1. Wie entsteht eine Vormerkung und welche Funktion hat sie?

Die Vormerkung soll den schuldrechtlichen Anspruch auf Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung an einem Grundstück absichern. Meistens wird sie zur Sicherung eines Anspruchs auf Übertragung des Grundstückseigentums bestellt (Auflassungsvormerkung). Durch die Vormerkung soll die Vereitelung des schuldrechtlichen Anspruchs durch vertragswidrige Verfügungen verhindert werden. Es soll also sichergestellt werden, dass der Anspruch auf Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung auch erfüllt wird.

Die Entstehung der Vormerkung ist in den §§ 883 – 885 BGB geregelt. Man unterscheidet zwischen dem Ersterwerb und dem Zweiterwerb der Vormerkung.

2. Ist die Vormerkung ein dingliches Recht?

Bei der Vormerkung handelt es sich nach h.M. nicht um ein dingliches Recht, sondern um ein Sicherungsmittel eigener Art.

Ohne dieses Sicherungsmittel hätte der Erwerber keine Sicherheit hinsichtlich des tatsächlichen Erwerbs des dinglichen Rechts. Denn solange der Erwerber nicht als Eigentümer eingetragen wurde, bleibt der Veräußerer weiterhin Eigentümer. Der schuldrechtliche Vertrag hindert den Veräußerer nicht daran, weiterhin dinglich über das Grundstück zu verfügen, denn ein schuldrechtlicher Vertrag beschränkt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers nicht. Der Veräußerer könnte also das Grundstück z.B. mit einer Hypothek belasten.

Lesetipp: Wir haben noch weitere interessante Beiträge zum Sachenrecht auf unserem Blog veröffentlicht, z.B. Lerntipps Sachenrecht; Der Besitz im Sachenrecht; Grundlagen zur Abtretung und dem Übergang von akzessorischen Sicherungsrechten; Das Anwartschaftsrecht.

II. Ersterwerb einer Vormerkung; §§ 883 Abs. 1 BGB, 885 BGB

Der Ersterwerb der Vormerkung richtet sich gem. §§ 883 Abs. 1, 885 BGB und hat die folgenden Voraussetzungen:

Ersterwerb einer Vormerkung; §§ 883 Abs. 1 BGB, 885 BGB

1. Wirksamer schuldrechtlicher, sicherungsfähiger Anspruch

Zunächst muss ein schuldrechtlicher Anspruch des Vormerkungsberechtigten auf dingliche Rechtsänderung an einem Grundstück bestehen. Die Vormerkung ist streng akzessorisch, setzt also das wirksame Bestehen der zu sichernden Forderung voraus.

Es können auch künftige Ansprüche gesichert werden, § 883 I 2 BGB. Ein künftiger Anspruch liegt vor, wenn der Rechtsboden für diesen bereits vorhanden ist, weil seine Entstehung nur noch vom Willen des Vormerkungsberechtigten abhängig ist.

2. Bewilligung der Vormerkung

Dann müsste die Vormerkung zur Sicherung desselben bewilligt werden (§ 885 I BGB, § 29 GBO) oder aufgrund einstweiliger Verfügung bestellt werden (§ 885 I BGB, §§ 935 ff. ZPO). Es genügt die einseitige Bewilligungserklärung des Verpflichteten, § 885 I BGB.

Die Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung richtet sich nach §§ 935 ff. ZPO. Ein Verfügungsgrund muss nicht angegeben werden.

3. Berechtigung des Bewilligenden

Außerdem muss der Verpflichtete zur Bestellung der Vormerkung berechtigt sein. Dies ist der Rechtsinhaber, der keiner Verfügungsbeschränkung unterliegt, der kraft Gesetzes oder durch Hoheitsakt verfügungsberechtigt ist oder ein Dritter, der mit Einwilligung des Verfügungsberechtigten gem. § 185 I BGB handelt.

Sollte dies nicht der Fall sein, kommt ein gutgläubiger Erwerb analog § 892 BGB in Betracht (dazu sogleich mehr).

4. Eintragung in das Grundbuch

Es muss die Eintragung einer Vormerkung ins Grundbuch erfolgen. Dies wird von § 885 I BGB vorausgesetzt.

5. Einigsein im Zeitpunkt der Eintragung

Wenn die Vormerkung durch Bewilligung bestellt wurde, muss die Bewilligung bis zur Eintragung fortbestehen.

III. Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung gem. § 892 BGB analog

Der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung richtet sich nach § 892 BGB analog und hat folgendes Schema:

  1. Bestehen eines sicherungsfähigen Anspruchs
  2. Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts
  3. Gutgläubigkeit des Erwerbers
  4. Rechtsscheintatbestand
  5. Kein Widerspruch im Grundbuch, § 899 BGB

Bei einer rechtsgeschäftlich bewilligten Vormerkung kommt nach allgemeiner Auffassung ein gutgläubiger Erwerb gem. § 892 BGB analog in Betracht. Dazu müssten also die Voraussetzungen des § 892 BGB analog gegeben sein. 

Der Rechtsscheintatbestand ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs sowie die Legitimation des Verfügenden in Bezug auf die Berechtigung zur Bewilligung der Vormerkung.

Wichtig ist, dass durch § 892 BGB analog nur die fehlende Berechtigung überwunden werden kann. Sonstige der genannten Entstehungsmängel können nicht mithilfe des § 892 BGB analog überwunden werden.

Wenn die Eintragung aufgrund einstweiliger Verfügung gem. § 935 ZPO erfolgt ist, ist kein gutgläubiger Erwerb möglich, denn dieser erfordert jedenfalls einen rechtsgeschäftlichen Erwerb.

Wenn Du bisher noch nicht den Durchbruch im Zivilrecht hattest, unterstützen wir Dich gerne (unter anderem) in unserem Jura Repetitorium München, Jura Repetitorium Köln und Jura Repetitorium Heidelberg. Schau Dir gerne auch einige Erfahrungsberichte erfolgreicher ehemaliger Teilnehmer an. Nimm gerne Kontakt mit uns auf!

IV. Zweiterwerb der Vormerkung gem. § 398 i.V.m. § 401 BGB

Zweiterwerb der Vormerkung meint die Übertragung einer bereits bestellten Vormerkung. Sie erfolgt durch Einigung über die Abtretung der gesicherten Forderung gem. § 398 i.V.m. § 401 BGB analog. Die Vormerkung ist streng akzessorisch. Sie kann daher nicht selbstständig ohne die gesicherte Forderung übertragen werden. Wird die gesicherte Forderung übertragen, geht die Vormerkung analog § 401 BGB auf den Forderungserwerber mit über.

Der Zedent muss beim Zweiterwerb doppelt berechtigt sein, einmal hinsichtlich der abgetretenen Forderung, denn sonst kann er sie nicht wirksam abtreten. Weiterhin muss er Inhaber der Vormerkung sein, da sie sonst nicht von ihm auf den Erwerber übergehen kann.

V. Der gutgläubige Zweiterwerb (umstritten!)

Ein gutgläubiger Vormerkungserwerb vom Nichtberechtigten wird teilweise verneint, weil der Vormerkungserwerb gem. § 401 BGB kraft Gesetzes erfolge und nicht unmittelbar auf einem Rechtsgeschäft beruhe (Arg.: kein Verkehrsgeschäft). Dies sei aber für jeden Gutsglaubenserwerb Voraussetzung.

Der BGH hält dagegen einen gutgläubigen Zweiterwerb für möglich, wenn der zu sichernde Anspruch tatsächlich besteht, weil der gesetzliche Übergang gem. § 401 BGB analog Folge des Rechtsgeschäfts nach § 398 BGB ist.

Wenn man den gutgläubigen Zweiterwerb mit der h.M. annimmt, kann man ihn wie folgt prüfen:

  1. Abtretung
  2. Kein Abtretungsausschluss (z.B. § 399 BGB, § 400 BGB)
  3. Berechtigung des Zedenten
    a) bzgl. der Forderung (außer im Fall des § 405 BGB grds. kein gutgläubiger Erwerb der Forderung möglich)
    b) bzgl. der Vormerkung (gem. § 892 BGB analog = Prüfung wie beim gutgläubigen Ersterwerb)

VI. Fallbeispiel zur Übertragung der Vormerkung

Die Vormerkung dient (zumeist) der Sicherung des Grundstücksübereignungsanspruchs. Wichtig ist insbesondere die Wirkung der Vormerkung bei der Prüfung des § 888 BGB. Daher befasst der folgende Musterfall sich mit dieser Konstellation, denn elementar für Deinen Lernprozess im Jurastudium ist der Wissenstransfer vom abstrakten Lernen hin zu der Umsetzung in Deiner Klausur.

Deshalb steht auch das Klausurentraining im Mittelpunkt des Jura Einzelunterrichts der Kraatz Group. Dies ist auch der Grund, warum viele unserer Teilnehmer herausragende Noten erreichen.

Um Dir den Wissenstransfer noch weiter zu erleichtern, setzten wir schon seit vielen Jahren auf modernste Lernmethoden wie das Blended Learning oder smarte Jura Skripten. Dadurch, dass mehrere Lernkanäle gleichzeitig angesprochen werden, steigt Deine Lernkurve steil an.

Kommen wir nun zum Fall:

Sachverhalt: Kaufvertrag über ein Grundstück und Auflassungsvormerkung

V verkauft sein Grundstück an K und bewilligt ihm eine Auflassungsvormerkung. Diese wird auch eingetragen. Nun tritt K seine Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit V an G ab. V veräußert das Grundstück zwischenzeitlich an D. D wird auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Den Vertrag mit K ficht V an.

Fallfrage: G verlangt von D Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer des Grundstücks gem. § 888 BGB. Hat dieser Anspruch Bestand?

Vorüberlegungen zur Lösung

Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB besteht nicht, denn der Inhalt des Grundbuchs stimmt mit der materiell-rechtlichen Eigentumslage überein. D hat von V wirksam Eigentum erworben, §§ 873, 925 BGB.

Anspruch aus § 888 BGB gegen D?

I. Voraussetzungen:

Der Erwerb des dinglichen Rechts bei D könnte relativ unwirksam sein gegenüber dem Vormerkungsberechtigten. Dann hätte dieser einen Anspruch gegen D auf Zustimmung zur Eintragung gem. § 888 BGB.

  1. Übertragung des Eigentums am Grundstück

Die Übertragung des Grundstückseigentums hat wirksam stattgefunden, §§ 873, 925 BGB. Der Veräußerer V war auch verfügungsberechtigter Eigentümer, da die Veräußerung an K noch nicht vollzogen war.

  1. Relative Unwirksamkeit?

Gegenüber G könnte der Erwerb aber relativ unwirksam sein gem. § 883 II BGB. Für diese relative Unwirksamkeit müsste G im Zeitpunkt des Erwerbs Inhaber einer wirksamen Vormerkung gewesen sein.

a) Eine Vormerkung ist zunächst zugunsten des K bewilligt worden.

b) G könnte also höchstens von K die Rechte an der Vormerkung erworben haben. Eine selbstständige Übertragung der Vormerkung ist nicht möglich, da diese streng akzessorisch zur gesicherten Forderung ist. Möglich ist aber der Übergang der Vormerkung im Wege der Abtretung der gesicherten Forderung gem. § 398 BGB nach Maßgabe des § 401 BGB analog. Die Vormerkung würde dann der abgetretenen Forderung nachfolgen.

Dann müsste die Forderung hier wirksam an G abgetreten worden sein, § 398 BGB.

Das setzte voraus, dass sich K und G über die Abtretung des Anspruchs des K gegen V aus dem Kaufvertrag gem. § 433 I BGB einig waren.

Eine Form ist nicht erforderlich, auch wenn die abgetretene Forderung aus § 433 I BGB hier auf einem formpflichtigen Rechtsgeschäft, nämlich dem Grundstückskaufvertrag, beruht. 

Hier war die Abtretung allerdings gegenstandslos, denn V hat den Kaufvertrag mit K angefochten gem. § 142 I BGB. Dies hat die Folge der Nichtigkeit des Kaufvertrages mit Wirkung ex tunc. Eine Abtretung des Anspruchs an G ging damit ins Leere.

c) Die Forderung könnte aber gutgläubig erworben werden und damit auch die Vormerkung. Ein gutgläubiger Erwerb einer nicht existenten Forderung ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 405 BGB möglich.

d) Die Vormerkung allein könnte jedoch von G gutgläubig erworben worden sein. Dies ließe sich ggf. über § 892 BGB analog konstruieren. Der gutgläubige Erwerb der Vormerkung könnte abgelehnt werden, wenn diese zwar im Grundbuch eingetragen ist, die zu sichernde Forderung aber nicht besteht. Die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs bezieht sich nur auf dessen Inhalt bezüglich dinglicher Rechte, nicht auf den Gutsglaubensschutz hinsichtlich des Bestehens der zu sichernden Forderung. Diese kann nicht gutgläubig erworben werden, s.o.

Somit ist kein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung durch G gem. § 892 BGB analog möglich.

e) Zwischenergebnis: G war damit im Zeitpunkt des Erwerbs durch D nicht Inhaber einer wirksamen Vormerkung. Das Rechtsgeschäft war damit auch nicht gegenüber G relativ unwirksam gem. § 883 II BGB.

II. Ergebnis:

Es besteht kein Anspruch des G gegen D auf Zustimmung zu seiner Eintragung als Eigentümer ins Grundbuch aus § 888 BGB.

Fazit zur Vormerkung (§ 883 BGB)

Das Immobiliarsachenrecht ist sehr anspruchsvoll. Dennoch ist es streng logisch aufgebaut und mit dem juristischen Handwerkskoffer gut zu bewältigen. Die Vormerkung ist ein sehr beliebtes Klausurthema in diesem Kontext. Wir hoffen, dass wir Dir mit diesem Artikel die Vormerkung einschließlich der mit ihr verbundenen Klausurprobleme etwas nähergebracht haben.

Sehr gerne unterstützen wir Dich beim Lernen für die Sachenrechtsklausur und in der Examensvorbereitung. Mit der nötigen Anleitung wird sich Dir das Sachenrecht erschließen und Du wirst sehen, dass es zu Unrecht gefürchtet wird.

Unsere Dozenten sind hier für Dich da und werden Dir im Jura Einzelunterricht oder in der Kleingruppe die nötige Motivation geben! Schau Dir gerne auch einige Erfahrungsberichte erfolgreicher ehemaliger Teilnehmer an. Nimm gerne Kontakt mit uns auf!

RA Mario Kraatz

Gründer der Kraatz Group

Auch interessant:

Jetzt neu und brandaktuell, unsere Smart Skripte:

Unsere Unterrichtsangebote

Wir hoffen, Dir für Dein Studium oder Dein Referendariat hilfreiche Inhalte (Content) bereitgestellt zu haben. Wenn auch Du Dir auf dem Weg hin zum 1. Staatsexamen und dem 2. Staatsexamen den entscheidenden “Kick” nach vorne geben möchtest, informiere Dich hier gerne weiterführend über unsere Angebote.

1. Staatsexamen

Neu: Elite-Kleingruppenkurse

Grund- und Hauptstudium

2. Staatsexamen

Du willst mehr davon lesen?
KraatzGroup_Logo_web

Die Akademie Kraatz ist eines der führenden Jura Repetitorien in Deutschland. Seit über 20 Jahren bereiten wir Jurastudenten und in Kooperation mit der Assessor Akademie Kraatz und Heinze GbR auch Referendare mithilfe von Einzelunterricht und Kleingruppenunterricht erfolgreich auf alle relevanten Prüfungen vor.

Zentrale:
Wilmersdorfer Straße 145/146,
10585 Berlin

Mo. - Fr. 09:00 Uhr - 15:00 Uhr