Das Mordmerkmal der Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB in Deiner Klausur

Jura online lernen: Bedeutung des Mordmerkmals in StGB Klausuren

Wenn es um die Prüfung des Mordtatbestandes in Deiner Examensklausur geht, ist in vielen Fällen das Merkmal der Heimtücke gemäß § 211 II Gr. 2 Var. 1 StGB anzuprüfen.

Denn die Heimtücke ist das Mordmerkmal, das am meisten in der Strafrecht Klausur vorkommt und zu den umstrittensten gehört. In Prüfungen sind die unterschiedlichen Ansichten zur Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Einschränkungserfordernisses absoluter Pflichtbestandteil des Wissens.

Die Heimtücke ist ein Mordmerkmal der zweiten Gruppe. Die Mordmerkmale dieser Gruppe ahnden eine spezifische Art der Ausführung der Tat und damit einen bestimmten Verhaltensunwert des Geschehens, weshalb sie auch als tatbezogene Mordmerkmale bekannt sind.

Mordmerkmale der zweiten Gruppe sind objektiver Natur, weshalb sie von einem entsprechenden Vorsatz abgedeckt sein müssen. Sie müssen daher sowohl im objektiven als auch im subjektiven Tatbestand des § 211 StGB geprüft werden.

In subjektiver Hinsicht muss dann häufig der Tötungsvorsatz sauber herausgearbeitet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn der Täter zunächst nur eine Körperverletzung begehen möchte und dann zu einer tödlichen Art und Weise der Tatbegehung übergeht (häufiger Klausurfall!).

1. Definition „Heimtücke“ gem. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB

Heimtückisch handelt, wer die durch die Arglosigkeit geschaffene Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Hierin liegt auch der Grund, warum eine heimtückische Tötung einen Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe und keinen Totschlag i.d.S. § 212 StGB darstellt. Der Täter überrascht das arg- und wehrlose Opfer und verhindert so dessen Verteidigung. Deswegen sieht der Gesetzgeber diese Art der Tötung als besonders verwerflich an.

a) Definition arglos

Arglos ist, wer sich keines Angriffs versieht. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Tat i.S.d. § 8 StGB (lesen!). Mithin muss das Opfer zu Beginn des Versuchsstadiums noch arglos sein.

Ob es hingegen im Zeitpunkt des Todes (Taterfolg) noch arglos ist, spielt keine Rolle.

Beispiel: Der Täter lockt das arglose Opfer in einen Hinterhalt, indem er ihm am Telefon vorgaukelt, sich zur Versöhnung auf einem einsamen Parkplatz treffen zu wollen. Das Opfer erkennt, als der Täter sich ihm mit gezogener Pistole nähert, dessen wahre Absicht. Daraufhin fällt der tödliche Schuss. Dennoch ist es dem Täter angesichts der Situation (einsamer Parkplatz und Schusswaffe) hilflos ausgeliefert. Auch ist die Zeitspanne zwischen dem Entdecken der wahren Absichten und der Tötung so kurz, dass eine effektive Abwehr des Täters nicht mehr möglich ist. In diesem Fall liegt ein Heimtückemord vor.

Klausurtipp: BGH, Urteil vom 11.12.2024 – 3 StR 185/24

Eine ähnliche Konstellation betrifft den sehr klausurträchtigen Fall BGH, Urteil vom 11.12.2024 – 3 StR 185/24.

Sachverhalt

Eine Frau möchte sich trennen, der Partner nicht. Es kommt zur Aussprache und die Situation eskaliert verbal. Er bedroht sie mit einem Messer und sie beißt ihm daraufhin in den Finger. Anschließend tötet er sie mit 98 Messerstichen.

Lösung des BGH

Auch in diesem Fall hat der BGH Heimtücke bejaht, da der “Verlust der Arglosigkeit” (Bedrohung mit dem Messer) quasi unmittelbar vor der Tötung geschah, sodass sie sich nicht mehr richtig habe wehren können. Wenn Du hinsichtlich aktueller Rechtsprechung immer auf dem Laufenden sein möchtest, buche jetzt unsere neuen Klausuren- und Rechtsprechungskurse für das 1. oder 2. Staatsexamen.

Schlafende und bewusstlose Personen sowie Kleinkinder

Nach der h.M. können auch schlafende Personen arglos sein, sofern sie ihre Arglosigkeit mit in den Schlaf genommen haben. Bewusstlose hingegen, die sich ja nicht willentlich in diesen Zustand begeben haben, sind nicht arglos.

Diese Unterscheidung verdeutlicht, dass das Tatopfer im Zeitpunkt der Tat, d.h. bei Überschreiten des Versuchsstadiums, die Fähigkeit zum Argwohn innehaben muss. Diese fehlt nach h.M. generell bei Kleinkindern bis 3 Jahren. An ihnen ist mithin kein heimtückischer Mord möglich.

Klausurtipp: In derartigen Konstellationen ist aber dennoch oftmals ein Mord aus Heimtücke gegeben, sofern der Täter die Arglosigkeit eines sog. schutzbereiten Dritten (z.B. Eltern) bewusst zur Tötung des Kleinkindes ausnutzt.

b) Definition wehrlos

Wehrlos ist, wer aufgrund der Arglosigkeit zu einer Verteidigungshandlung außerstande ist oder jedenfalls in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft stark eingeschränkt ist. Das Opfer muss sich mithin infolge seiner Arglosigkeit nicht adäquat zur Wehr setzen können.

Die Wehrlosigkeit muss dabei gerade auf der Arglosigkeit beruhen. Kann das Opfer sich aus anderen Gründen, z.B. aufgrund einer Behinderung, nicht gegen den Täter wehren, scheidet eine heimtückische Tötung aus.

c) Bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit zur Tötung

Der Täter muss ferner die Arg- und Werklosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzen. Er muss folglich die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers wahrnehmen und sie dann zur Tatbegehung willentlich ausnutzen.

Die Spontanität des Tatentschlusses in Verbindung mit der Vorgeschichte der Tat sowie der psychische Zustand des Täters können ein Zeichen dafür sein, dass dem Täter das Ausnutzungsbewusstsein fehlte.

Klausurtipp: BGH, Urteil vom 20.06.2024 – 4 StR 15/24

Wer jemanden absichtlich überfährt, kann auch dann heimtückisch handeln, wenn er vorher den Motor laut aufheulen lässt.

Die Perspektive des Opfers ist dabei für das Ausnutzungsbewusstsein nicht wichtig. Vielmehr kommt es auf die Sicht des Täters an. Ausnutzungsbewusstsein liegt nach dem BGH schon dann vor, falls der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit “in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen”.

Diesen sehr klausurträchtigen Fall haben wir bereits in unserem kostenlosen Newsletter besprochen. Abonniere diesen gerne, wenn Du immer up to date bleiben möchtest.

Abgrenzung: Todesengel

Mitleidstötungen sind von sog. „Todesengel“-Fällen abzugrenzen, bei denen die Täter sich als Herrscher über Leben und Tod aufspielen.

Der Täter eines Mitleidsmords ohne feindliche Willensrichtung nimmt an, dass das Opfer die Tötung aus eigenem Wunsch herbeisehnt, um dem eigenen Leiden ein Ende zu setzen. 

Der „Todesengel“ hält das Leben des Opfers für nicht mehr lebenswert. Es kommt dem Täter nicht darauf an, wie das Opfer selbst seine Situation bewertet.

Klausurtypische Fallbeispiele

Spontanreaktionen aufgrund von Aggressionsstau, krisenhafte Zustände (beruflich und private Lebensumstände), extremer Schlafmangel oder Trunkenheit können bspw. dafür sprechen, dass sich der Täter im Einzelfall keine weiteren Gedanken über sein Opfer macht. Das Ausnutzungsbewusstsein fehlt dann und eine Heimtücke scheidet folglich aus.

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2. Restriktive Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur

Von höchster Klausurrelevanz ist das Problem der Einschränkung der Heimtücke. Die herkömmliche, oben genannte Definition ist so weit gefasst, dass sie praktisch jede überraschende Tötung als Heimtückemord einstuft.

Dadurch umfasst sie eine Vielzahl von Fällen, in denen eine lebenslange Freiheitsstrafe bewertungstechnisch unangemessen sein kann. Daher sind sich die Rechtsprechung und die Lehre im Grundsatz einig, dass man das Merkmal der Heimtücke restriktiv auslegen sollte (sog. Heimtückerestriktion). Wie dies genau erfolgen soll – darüber herrscht, wie so oft im Strafrecht – Streit.

a) BGH: Mordmerkmal der Heimtücke erfordert feindliche Willensrichtung

Der BGH vertritt die Lehre von der feindlichen Willensrichtung (siehe z.B. BGHSt 9, 358).

Demnach muss der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzen. Damit will der BGH v.a. Mitleidstötungen, bei denen der Täter zum vermeintlich Besten des Opfers handelt, um es z.B. von einer schweren Krankheit “zu erlösen”, aus dem Mordtatbestand ausschließen.

b) Besonders verwerflicher Vertrauensbruch

Eine Meinung in der Literatur verlangt einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch.

Heimtücke könne nur dann angenommen werden, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer bestehe. Man kann demnach keine fremde Person heimtückisch ermorden.

Gegner dieser Ansicht halten dem entgegen, dass der Begriff des Vertrauensverhältnisses schwer zu fassen und nicht klar umrissen ist. Dadurch werde das Mordmerkmal unbestimmt (was gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße) und führe zu Rechtsunsicherheit. Außerdem wird argumentiert, dass der „klassische“ Auftragsmord aus dem Hinterhalt schon nach dem allgemeinen Rechtsempfinden der Paradefall der Heimtücke sei. Dieser werde aber nicht mehr vom Mordmerkmal Heimtücke erfasst, wenn man ein besonderes Vertrauen verlangt. 

c) Lehre von der Typenkorrektur

Nach der sog. Lehre von der Typenkorrektur ist das tatbestandlich erfüllte Mordmerkmal der Heimtücke dennoch nicht gegeben. Dies ist der Fall, wenn die Tötung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Tat und des Täters ausnahmsweise nicht als verwerflich erscheint. Hiernach hat das tatbestandliche Vorliegen des Mordmerkmals nur eine Art Indizwirkung.

Dagegen spricht aber, wie auch schon gegen den besonderen Vertrauensbruch, die Unbestimmtheit, die zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG führt.

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d) Rechtsfolgenlösung

Neben der Restriktion über das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal “in feindlicher Willensrichtung” vertritt der BGH, um im Einzelfall zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen, die sog. Rechtsfolgenlösung:

In Heimtückefällen beim Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen ersetzt der Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die lebenslange Freiheitsstrafe auf der Rechtsfolgenseite des Mordes. Mithin wird der Täter zwar wegen Mordes verurteilt, da er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst in feindlicher Willensrichtung ausgenutzt und somit den Tatbestand des § 211 StGB erfüllt hat. Wenn die Tatumstände (sowohl objektiv als auch subjektiv in der Person des Täters liegende Umstände) aber bei einer Gesamtwürdigung gegen die besondere Verwerflichkeit der Tötung sprechen, kommt es zu keiner Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Vielmehr wird die Freiheitsstrafe nach §§ 211, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmt.

Diese Lösung der Rechtsprechung ist insgesamt am überzeugendsten; auch in der Klausur, da sie auf die Tatsituation im Einzelfall und ihre Besonderheiten abstellt.

Fazit zur Heimtücke

Die heimtückische Begehung einer Tötung wird zu recht als das schwierigste Mordmerkmal angesehen. Obwohl das Gesetz keine genauere Beschreibung der Heimtücke enthält, wurden durch Rechtsprechung und Literatur vielfältige Definitionen entwickelt. 

Diese Fälle sind für Examensklausuren im Strafrecht sehr interessant, weil sie objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale kombinieren. Bei der sehr umstrittenen Frage nach einer einschränkenden Auslegung muss der Examenskandidat zudem sein systematisches strafrechtliches Verständnis zeigen.

Mit bloßem Auswendiglernen allein kommt man hier nicht in die oberen Punkteränge.

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Dr. Robert König

Mitgeschäftsführer, Jura Essentials Verlag

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