- 6. Juni 2025
- Posted by: Mario Kraatz
- Category: Zivilrecht

Jura online lernen: Fallklassiker Haakjöringsköd-Fall
Der “Haakjöringsköd-Fall”, entschieden am 8. Juni 1920 unter dem Aktenzeichen RGZ 99, 147, ist ein grundlegender Fall im deutschen Zivilrecht und vermittelt wichtige Erkenntnisse für die Rechtsgeschäftslehre, insbesondere die Auslegung von Willenserklärungen. Auch nach über 100 Jahren hat dieser Fall nicht an Bedeutung verloren und wird nach wie vor gerne in Klausuren und mündlichen Prüfungen abgeprüft.
Sachverhalt der Haakjöringsköd Entscheidung
Im konkreten Fall verkaufte der Fischgroßhändler G dem Fischhändler F 124 Fässer “Haakjöringsköd”, die sich auf dem Dampfer Jessica befanden.
Beide Parteien waren überzeugt, dass es sich um Walfleisch (damals leider noch legal) handelte, das mit “Haakjöringsköd” korrekt bezeichnet sei. Jedoch bedeutet der Begriff “Haakjöringsköd” objektiv gesehen Haifischfleisch.
Als die Ware in Hamburg ankam, wurde sie beschlagnahmt, da für Haifischfleisch Einfuhrbeschränkungen galten. F forderte daraufhin von G die Erstattung des Kaufpreisunterschieds, da er argumentierte, die Ware sei ihm fälschlicherweise als Walfleisch verkauft worden und der Vertrag damit ungültig.
Rechtliche Lösung des Reichsgerichts
Das Reichsgericht musste klären, ob ein Vertrag über Walfleisch zustande gekommen war, obwohl die Parteien irrtümlich “Haakjöringsköd” verwendeten. Die Kernfrage drehte sich also um die Auslegung der Willenserklärungen und den Grundsatz “falsa demonstratio non nocet”. Der Begriff falsa demonstratio non nocet stammt aus dem Lateinischen und heißt frei übersetzt „eine falsche Bezeichnung schadet nicht”.
Der Grundsatz der falsa demonstratio non nocet
Das Gericht entschied, dass ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über Walfleisch bestand. Es stellte fest, dass beide Parteien übereinstimmend Walfleisch meinten, auch wenn sie fälschlicherweise “Haakjöringsköd” dafür verwendeten. Dies verdeutlicht den Grundsatz, dass der wahre Wille der Parteien entscheidend ist und nicht die wörtliche Auslegung ihrer Erklärungen. Mit anderen Worten ist die übereinstimmende Falschbezeichnung unschädlich.
Sonderregel der Auslegung
Entscheidend ist letztlich, dass der Konsens der Willen der Parteien Vorrang vor der wörtlichen Erklärung haben soll. Der Grundsatz der falsa demonstratio ist insofern ein Sonderfall der Auslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB.
Diese Erkenntnis ist entscheidend für das Verständnis von Rechtsgeschäften im deutschen Zivilrecht und trägt dazu bei, unbillige Ergebnisse zu vermeiden, die durch eine strikte Auslegung wörtlicher Erklärungen entstehen könnten.
Gilt auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften
Auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften (z.B. § 311b BGB) gilt der Grundsatz.
Wichtig ist hier die falsa demonstratio im Kontext eines Grundstückkaufvertrags, der gem. § 311b BGB der notariellen Beurkundung bedarf. Wenn die Parteien z.B. Grundstück A verkaufen wollen, aber aus Versehen Grundstück B in den beurkundeten Vertrag aufnehmen, ist dies unschädlich. Es liegt ein wirksamer Kaufvertrag über Grundstück A vor.
Ein absoluter Klausurtipp in diesem Kontext ist BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 89/22. Hierbei geht es um die versehentliche Fehlbezeichnung bei Erwerb von Grundstücken sowie die Auslegung eines notariell beurkundeten Vertrags.
Tipp: Wenn Du die neue examensrelevante Rspr. nicht mehr verpassen möchtest, abonniere unseren kostenlosen Newsletter und buche unseren neuen Klausuren- und Rechtsprechungskurs. Falls Du weitere Unterstützung benötigst, wende Dich gerne (unter anderem) an unser Jura Repetitorium Berlin, Jura Repetitorium Frankfurt a.M. oder Jura Repetitorium in Köln. Unsere Dozenten freuen sich auf Dich! Sieh Dir gerne auch die Erfahrungsberichte ehemaliger Teilnehmer an.
Anfechtung bei einer falsa demonstration?
Wäre eine Anfechtung im Fall des Haakjöringsköd möglich? Erst nachdenken, dann weiterlesen!
Nein, denn der Vertrag ist aufgrund der falsa demonstratio über das tatsächlich Gewollte zustande gekommen. Mithin liegt kein Anfechtungsgrund aus § 119 BGB vor. Eine Falschbezeichnung ist kein Irrtum nach § 119 BGB, denn es gilt Folgendes: Auslegung vor Anfechtung. Wenn sich die Parteien nach der Auslegung unstreitig auf etwas geeinigt haben, liegt kein Irrtum vor.
Hinweis: Wie könnten die zwei Parteien sich wieder vom Vertrag lösen? Einen Vertrag kann man immer im beidseitigen Einverständnis rückgängig machen und in diesem Sinne einen Aufhebungsvertrag vereinbaren.
Klausurrelevanz des Klassikers
Für Jurastudierende ist dieser Fall besonders relevant, da er elementare Prinzipien der Vertragsauslegung und des Verständnisses von Willenserklärungen illustriert. Er ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Gerichte den wahren Willen der Vertragsparteien ergründen und wie dieser Wille in der rechtlichen Bewertung Vorrang vor dem buchstäblichen Wortlaut der Erklärungen hat. Auch gilt der Grundsatz nicht nur im BGB AT, sondern u.a. auch in Nebengebieten wie dem Arbeitsrecht.
Wenn Du mehr zu den Willenserklärungen lernen möchtest, empfehle ich Dir unsere folgenden Artikel:
- BGB AT – Willenserklärungen – das Wichtigste kurz und kompakt für Dich zusammengefasst
- Fahrlässige Willenserklärungen
- Schweigen auf ein KBS
- Emojis als Willenserklärung
- Anfechtung nach § 119 und § 120 BGB
- Anfechtung nach § 123 BGB
Schau Dich gerne auch weiter auf unserem Blog um. Wir haben viele wichtige Themen rund um Jura online für Dich aufbereitet.
Selbstverständlich sind sämtliche hier angesprochene Themen in unsere Kurse für das Grund- und Hauptstudium, die Vorbereitung auf das 1. Staatsexamen (Akademie Kraatz) und das 2. Staatsexamen (Assessor Akademie) integriert. Wir sind deutschlandweit (auch als Jura Online Unterricht) mit effektivem Jura Einzelunterricht oder in der Kleingruppe für Dich da!
Melde Dich bei uns für Deinen kostenlosen Beratungstermin!
RA Mario Kraatz
Gründer und Geschäftsführer der Kraatz Group
Auch interessant:
Wir hoffen, Dir für Dein Studium oder Dein Referendariat hilfreiche Inhalte (Content) bereitgestellt zu haben. Wenn auch Du Dir auf dem Weg hin zum 1. Staatsexamen und dem 2. Staatsexamen den entscheidenden “Kick” nach vorne geben möchtest, informiere Dich hier gerne weiterführend über unsere Angebote.
Bereite Dich gemeinsam mit uns erfolgreich auf Deine erste juristische Staatsprüfung vor!
Unterricht ansehen
Legen bereits in den ersten Semestern den Grundstein für ein erfolgreiches Jurastudium!
Unterricht ansehen
Meistere den letzten großen Schritt vor Deiner erfolgreichen beruflichen Zukunft!
Unterricht ansehen
Auch wenn Du Jura nicht als Hauptfach hast, helfen wir Dir durch Deine Prüfungen!
Unterricht ansehen

1. Staatsexamen

Deutschlandweite Kleingruppenkurse

Grund- und Hauptstudium

2. Staatsexamen

Du wünschst weitere Informationen oder hast Fragen? Kontaktiere uns jederzeit.