Klageänderung in der Zivilprozessordnung (ZPO)

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines zur objektiven Klageänderung

II. Vorliegen einer Klageänderung (§§ 263 ff. ZPO)

III. Wie erfolgt eine Klageänderung?

IV. Wann ist die Klageänderung zulässig?

V. Wie ist die Prüfungsreihenfolge der Klageänderung?

VI. Privilegierte Klageänderung gemäß § 264 ZPO

VII. Zulässigkeit der Klageänderung in allen anderen Fällen (§ 263 ZPO)

VIII. Rechtsfolge der Klageänderung i.S.d. Zivilprozessordnung

I. Allgemeines zur objektiven Klageänderung

Der Kläger im Zivilprozess kann nach Rechtshängigkeit seiner Klage den Streitgegenstand ändern. Dies richtet sich nach § 263 ZPO und 264 ZPO. Unter welchen Voraussetzungen ist die Klageänderung möglich?

In der Zivilprozessordnung wird im Interesse des Beklagten die Möglichkeit gewährleistet, den Streitgegenstand nach Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 1 ZPO) zu ändern. Zum Beispiel, wenn sich die Umstände des Beklagten ändern oder wenn dieser ansonsten – wäre er an seinen ursprünglichen Klageantrag gebunden – einen neuen Prozess beginnen müsste (Arg.: Prozessökonomie).  

In diesem Beitrag möchten wir Dir Probleme der Klageänderung, die Dich bereits in der ZPO-Zusatzfrage im 1. Examen treffen können, näherbringen. Aber spätestens im Referendariat und zweiten Staatsexamen musst Du die Klageänderung sicher beherrschen.

II. Vorliegen einer Klageänderung (§§ 263 ff. ZPO)

Eine Klageänderung liegt vor, wenn sich der Streitgegenstand nach Rechtshängigkeit der Klage ändert.

Nach dem ganz herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff liegt immer dann eine Klageänderung vor, wenn der Klageantrag oder der Klagegrund, d.h. der der Klage zugrunde liegende Lebenssachverhalt, nach Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 1 ZPO) geändert werden. 

Das kann zum Beispiel in der Form geschehen, dass der Klageantrag sich ändert. Beispielsweise kann sich das klägerische Begehren dahingehend ändern, dass eine andere statt der ursprünglich geforderten Leistung beantragt wird (Klageauswechslung durch neuen Antrag).

Außerdem kann eine Klageerhöhung oder eine Klageermäßigung vorgenommen werden, also ein „Mehr“ bzw. ein „Weniger“ des Ursprünglichen beantragt werden. Dies alles betrifft den Klageantrag.

Des Weiteren kann sich der Klagegrund ändern, also der dem Streit zugrunde liegende Sachverhalt könnte sich verändert haben. Z.B. stützt der Kläger seine Zahlungsklage nicht mehr auf einen Kaufvertrag, sondern auf einen Werkvertrag.

Exkurs: Objektive Klagehäufung, § 260 ZPO

Eine Klageänderung kann auch zu einer nachträglichen objektiven Klagehäufung führen, wenn der ursprüngliche Streitgegenstand bestehen bleibt und der Kläger zusätzlich noch einen neuen Streitgegenstand in den Prozess einführt.

In diesem Fall sind neben den Voraussetzungen der Klageänderung gem. §§ 263 ff. ZPO auch die Voraussetzungen der nachträglichen objektiven Klagehäufung gem. §§ 261 II i.V.m. § 260 ZPO zu prüfen.

III. Wie erfolgt eine Klageänderung? 

Die Klageänderung erfolgt gemäß § 261 II ZPO durch Schriftsatz oder durch Antrag in der mündlichen Verhandlung. Mithin müssen die Prozessparteien diesbezüglich aktiv werden.

IV. Wann ist die Klageänderung zulässig?

  • 263 ZPO regelt wörtlich: Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Die ZPO regelt verschiedene Fälle der Zulässigkeit einer Klageänderung, wobei § 264 ZPO eine stets kraft Gesetzes zulässige Klageänderung regelt.

V. Wie ist die Prüfungsreihenfolge der Klageänderung?

In der Klausur prüfst Du die Klageänderung daher wie folgt:

Klageänderung in der Zivilprozessordnung (ZPO)

VI. Privilegierte Klageänderung gemäß § 264 ZPO

Die Klageänderung kraft Gesetzes gemäß § 264 ZPO (privilegierte Klageänderung) ist unabhängig von den in § 263 ZPO genannten Voraussetzungen zulässig. Die Fälle des § 264 Nr. 1 – 3 ZPO sind daher vorrangig zu prüfen.

1. § 264 Nr. 1 ZPO: Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen

  • 264 Nr. 1 ZPO regelt bloß eine deklaratorische Feststellung. In den Fällen der Ergänzung oder Berichtigung von tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ändert sich der Streitgegenstand nicht, sodass keine Klageänderung vorliegt.

2. § 264 Nr. 2 ZPO: Klageermäßigung und Klageerhöhung 

Wenn der ursprüngliche Antrag erhöht oder ermäßigt wird, ohne dass der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ausgetauscht wird, ist die Klageänderung ohne Weiteres zulässig nach § 264 Nr. 2 ZPO.

a) Klageermäßigung

Die Klageermäßigung kann eine Klagerücknahme oder eine teilweise Erledigterklärung bedeuten, je nachdem, was für den Kläger günstiger ist. Hierfür ist die Einwilligung des Beklagten erforderlich; § 264 Nr. 2 ZPO ist in Verbindung mit § 269 ZPO anzuwenden. Bei Klageermäßigung vor dem Landgericht gilt außerdem das Fortbestehen des Gerichtsstands gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO (perpetuatio fori).

b) Klagerweiterungen

Bei Klageerweiterungen hingegen ist, sofern sie vor dem Amtsgericht stattfinden, § 506 ZPO als relevante Zuständigkeitsregelung zu beachten (Verweisung an das Landgericht). Eine Klageerweiterung kann etwa der Antrag auf Leistung statt Feststellung sein. 

Bei Antragsänderungen im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO ändert sich der Sachverhalt nicht, er bleibt der gleiche. Ansonsten würde sich die Zulässigkeit der Klageänderung nach § 263 ZPO richten!

3. Die Klageänderung kraft Gesetzes gemäß § 264 Nr. 3 ZPO

In Fällen des § 264 Nr. 3 ZPO wird statt des ursprünglich geforderten Gegenstands ein Surrogat gefordert, also ein anderer Gegenstand.

Beispiel: Umstellung einer Herausgabeklage auf eine Schadensersatzklage, weil der betreffende Gegenstand untergegangen ist.

VII. Zulässigkeit der Klageänderung in allen anderen Fällen (§ 263 ZPO)

Liegt kein Fall des § 264 ZPO vor, richtet sie sich nach den Voraussetzungen der §§ 263, 267 ZPO.

1. Einwilligung des Beklagten, § 263 Alt. 1 ZPO

Es braucht also grds. die Einwilligung des Beklagten. Dieser kann seine Einwilligung per Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung erklären.

2. Rügelose Einlassung, § 267 ZPO

Mitunter wird es aber so sein, dass der Beklagte weder explizit in eine Klageänderung einwilligt noch ihr widerspricht. In diesem Zusammenhang ist auf § 267 ZPO zu achten. Nach dieser Norm wird die Einwilligung des Beklagten vermutet, sofern er nicht explizit widerspricht.

3. Gericht nimmt Sachdienlichkeit an, § 263 Alt. 2 ZPO

Wenn der Beklagte nicht einwilligt, ermöglicht § 263 ZPO die Klageänderung aufgrund von Sachdienlichkeit. Die Regelung des § 263 Alt. 2 ZPO beruht auf prozessökonomischen Erwägungen. 

Sachdienlichkeit liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn der bisherige Prozessstoff als Entscheidungsgrundlage verwertbar bleibt und durch die Zulassung ein neuer Prozess vermieden wird. 

Klausurtipp: An die Sachdienlichkeit stellt die Rspr. keine allzu großen Anforderungen, sodass eine solche in Klausuren (insbesondere in einer Urteilsklausur im 2. Examen) grds. ohne Weiteres angenommen werden kann.

VIII. Rechtsfolge der Klageänderung i.S.d. Zivilprozessordnung

1. Zulässige Klageänderung

Bei einer zulässigen Klageänderung endet die Rechtshängigkeit des ausgewechselten Streitgegenstands (= des alten Anspruchs) ex nunc, sodass sich eine diesbzgl. eine Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit erübrigt. Dementsprechend beginnt die Rechtshängigkeit des neuen Streitgegenstands gem. § 261 II ZPO durch seine Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder durch die Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den Beklagten. Im Ergebnis entscheidet das Gericht also nur noch über die geänderte Klage.

2. Unzulässige Klageänderung

Bei einer unzulässigen Klageänderung ist nach zutreffender Ansicht sowohl über den neuen als auch über den alten Antrag zu entscheiden. Der alte Streitgegenstand bleibt mithin rechtshängig (BGH, NJW 1988, 128). 

Über die „neue Klage” (= die unzulässige Klageänderung) ergeht grds. keine Sachentscheidung. Er ist vielmehr mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer Klageänderung durch ein Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.

Wie über den alten Antrag entschieden wird, hängt maßgeblich vom Verhalten des Klägers ab. Grundsätzlich wird aufgrund einer Auslegung der Änderungserklärung gem. §§ 133, 157 BGB analog davon auszugehen sein, dass der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren hilfsweise aufrechterhalten möchte. Also entscheidet das Gericht über den ursprünglichen Antrag (die Klageänderung war ja unzulässig) mit einem normalen Urteil (Sachurteil).

Tipps (v.a. für die Anwaltsklausur)

Wenn der Kläger hingegen den alten Antrag nicht hilfsweise aufrechterhalten möchte, besteht für ihn v.a. die Möglichkeit einer betreffenden Klagerücknahme gem. § 269 ZPO oder eines Verzichts gem. § 306 ZPO.

Falls der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren nicht aufrechterhalten möchte und im Anschluss bzgl. des ursprünglichen Antrags untätig bleibt, also nicht darüber verhandelt, kommt diesbzgl. ein Versäumnisurteil gem. §§ 330 ff. ZPO in Betracht. Der alte Klageantrag ist mangels Klageänderung rechtshängig geblieben. Insgesamt würde bzgl. des neuen und des alten Antrags also ein Teilversäumnis- und Schlussurteil ergehen (Knöringer, Die Assessorklausur im Zivilprozess, § 9 Rn. 9.08).

Fazit: Lerne die ZPO nicht auf Lücke

Schon im ersten Examen sollte man die ZPO nicht auf Lücke lernen, denn die prozessrechtlichen Kenntnisse (z.B. in der ZPO-Zusatzfrage) entscheiden häufig über das Bestehen oder Durchfallen bzw. „befriedigend“ oder „vollbefriedigend“. Integriere daher die Nebengebiete in Deinen Lernplan.

Im zweiten Staatsexamen werden die zivilprozessrechtlichen Kenntnisse vorausgesetzt, sodass es wichtig ist, diese mit Start des Referendariats parat zu haben.

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RA Mario Kraatz

Gründer und Geschäftsführer der Kraatz Group

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