- 20. August 2025
- Posted by: Hendrik Heinze
- Category: Strafrecht

Der Vorsatz im Strafrecht nach § 15 Strafgesetzbuch (StGB)
Die objektive Verwirklichung eines Tatbestandes allein reicht grds. (außer bei Fahrlässigkeitsdelikten) nicht aus, um den Täter zu bestrafen. Nach § 15 StGB ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Wegen Fahrlässigkeit wird also nur dann bestraft, wenn dies in einem Delikt ausdrücklich vorgesehen ist, wie in § 229 StGB. Eine fahrlässige Sachbeschädigung ist z.B. hingegen keine Straftat, weil die Sachbeschädigung gem. § 303 StGB nur bei vorsätzlichem Handeln bestraft wird.
Hinweis: Anders im Zivilrecht! Hier kann eine „fahrlässige Sachbeschädigung“ deliktische Ansprüche nach § 823 I BGB auslösen.
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Grunddefinition des Vorsatzes
Kurzformel: Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Häufig liest man auch folgende, gleichbedeutende Definition: Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.
Wichtig ist in diesem Kontext, dass der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes zu dem Zeitpunkt der Begehung der Tat vorliegen muss. Das besagt das Simultanitätsprinzip / das Koinzidenzprinzip i.S.d. § 8 StGB i.V.m. § 16 I StGB. Auf die Frage, wann der Taterfolg eingetreten ist, kommt es hingegen nicht an.
Klausurtipp: Der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit haben wir einen eigenen Artikel gewidmet.
I. Grundformen des Vorsatzes: Absicht, direkter Vorsatz, dolus eventualis
Die drei Grundformen des Vorsatzes sind die Absicht (dolus directus 1), der direkte Vorsatz (dolus directus 2) und der Eventualvorsatz. Die drei Vorsatzformen unterscheiden sich je nach Grad des Vorsatzes.
1. Absicht (dolus directus 1. Grades)
Bei der Absicht handelt es sich um die „stärkste“ der Vorsatzarten. Hier kommt es dem Täter gerade auf den Erfolgseintritt an (zielgerichtetes Wollen). Dies ist z.B. bei einer Tötungsabsicht dann der Fall, wenn man auf das Opfer schießt, um es zu töten.
Nicht erforderlich ist es jedoch, dass es sich bei dem vom Täter verwirklichten Erfolg um das letztlich angestrebte Endziel handelt. Ausreichend ist es vielmehr bereits, dass der Erfolgseintritt von dem Täter als ein notwendiges Zwischenziel angesehen wird, das für das Erreichen des Endziels notwendig ist.
Charakteristisch für die Absicht ist, dass das Wollenselement (voluntatives Element) im Verhältnis zum Wissenselement (kognitives Element) im Vordergrund steht. Es spricht mithin nicht gegen das Vorliegen einer Absicht, wenn der Täter den Erfolgseintritt lediglich für möglich hält, wenn es ihm gerade auf die nur für möglich gehaltene Tatbestandsverwirklichung ankommt.
2. Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
Bei dem direkten Vorsatz handelt der Täter trotz des sicheren Wissens um den Erfolgseintritt. Er will den Erfolg jedoch nicht unbedingt herbeiführen. Vereinzelt ist ihm der Erfolg sogar unerwünscht.
Charakteristisch für die Absicht ist, dass das Wissenselement (kognitives Element) im Verhältnis zum Wollenselement (voluntatives Element) im Vordergrund steht. Es steht dem Vorliegen eines direkten Vorsatzes mithin nicht entgegen, dass der Täter den Erfolgseintritt nicht unbedingt herbeiführen möchte, wenn er mit Sicherheit weiß, dass sein Verhalten diesen Erfolg herbeiführen wird.
Als Beispiel sei hier derjenige Fall genannt, in dem der Täter sein Haus anzündet, um die betreffende Brandschutzversicherungssumme zu erhalten. Hierbei weiß er mit Sicherheit, dass seine Schwiegermutter in dem Haus schläft, womit ihr eine Flucht aus den Flammen unmöglich ist. Auch wenn der Täter den Tod der Schwiegermutter nicht möchte, setzt er seinen Plan in die Tat um, wodurch die Schwiegermutter zu Tode kommt.
3. Bedingter Vorsatz (dolus eventualis)
Der bedingte Vorsatz, auch Eventualvorsatz oder dolus eventuals genannt, stellt die schwächste Form des Vorsatzes dar. Bei dem Eventualvorsatz handelt der Täter wiederum trotz der Möglichkeit des Erfolgseintritts. Der Täter nimmt den Erfolg also billigend in Kauf.
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Täter dem Opfer mit einer massiven Eisenstange auf den Kopf schlägt, wobei er weder den Tod des Opfers möchte noch mit Sicherheit um die tödliche Wirkung des Schlags weiß. Der Täter akzeptiert jedoch das betreffende Todesrisiko, um sich emotional abreagieren zu können.
Tipp: Den Meinungsstreit zur oftmals schwierigen Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit solltest Du Dir einmal eingehender ansehen. Den betreffenden Artikel findest Du hier. Selbstverständlich ist dieser wichtige Meinungsstreit auch in unserem Skript Strafrecht Allgemeiner Teil 1 klausurtypsich für Dich aufgearbeitet.
II. Besondere Vorsatzformen im subjektiven Tatbestand
1. Dolus alternativus
Bei der besonderen Vorsatzform des dolus alternativus weiß der Täter nicht mit Sicherheit, welchen Tatbestand er bei mehreren prinzipiell möglichen, sich aber gegenseitig ausschließenden Tatbeständen verwirklichen wird. Die rechtliche Behandlung des dolus alternativus ist umstritten.
a) E.A.: nur Vorsatz bzgl. schwersten Tatbestand
Nach einer Ansicht handelt der Täter nur bzgl. des schwersten Tatbestands vorsätzlich (Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 5 Rn. 27 b). Entscheidend für die „Schwere“ einer Tatbestandsverwirklichung ist allgemein nicht die Höhe der höchsten Mindeststrafe, sondern die Höhe der maximal möglichen Höchststrafe (vgl. Leipziger Kommentar – Rissing-van Saan, § 52 StGB Rn. 52).
b) A.A.: nur Vorsatz bzgl. des verwirklichten Delikts
Nach einer anderen Ansicht handelt der Täter nur bzgl. des verwirklichten Tatbestandes vorsätzlich (Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch – Zaczyk, § 22 StGB Rn. 20).
c) H.M. (Rechtsprechung): Täter handelt hinsichtlich sämtlicher Delikte vorsätzlich
Nach einer weiteren Ansicht handelt der Täter bzgl. aller vorgestellten Tatbestände vorsätzlich (BGH, Urteil vom 14.01.2021 – 4 StR 95/20; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 14 Rn. 52).
d) Streitentscheid
Der dritten Ansicht ist zu folgen.
Gegen die erste Ansicht spricht, dass sie das Vollendungsunrecht unter Umständen überhaupt nicht berücksichtigt. Außerdem bietet sie keinen Lösungsansatz, wenn mehrere gleich schwere Tatbestände vorliegen.
Gegen die zweite Ansicht spricht, dass bei der Verwirklichung eines minder schweren Tatbestands sachwidriger Weise ein versuchter schwererer Tatbestand rechtlich nicht berücksichtigt werden würde. Darüber hinaus bietet sie keinen Lösungsansatz, wenn letztlich überhaupt keine Tatbestandsvollendung eintritt.
Für die dritte Ansicht spricht hingegen, dass sich der Vorsatz des Täters vorliegend auf mehrere Rechtsgutsverletzungen bezieht. In diesem Sinne umfasst die dritte Ansicht den Unrechtsgehalt des Täterverhaltens am sachgerechtesten.
Um eine Gleichstellung mit dem dolus cumulativus zu vermeiden, bei dem der Täter mit einer Handlung zumindest billigend in Kauf nimmt, dass er mehrere Tatbestände verwirklicht, kann bei dem dolus alternativus der Wille, nur einen Tatbestand verwirklichen zu wollen, i.R.d. Strafzumessung mildernd berücksichtigt werden.
Selbst ein vermeintlich „einfaches Thema“ wie der Vorsatz kann im Detail also ganz schön kompliziert sein. Strafrechtsklausuren fallen nicht umsonst besonders schlecht aus. Egal, ob Du von Anfang an gute Noten schreiben möchtest oder schon einmal im StGB AT durchgefallen bist, unterstützen wir Dich ab dem 1. Semester. Unsere Dozenten sind hier für Dich da und werden Dir im Jura Einzelunterricht die nötige Motivation geben! Schau Dir gerne auch einige Erfahrungsberichte erfolgreicher ehemaliger Teilnehmer an. Nimm gerne Kontakt mit uns auf!
2. Dolus cumulativus
Bei dem dolus cumulativus nimmt der Täter zumindest billigend in Kauf, mit einer Handlung mehrere voneinander unabhängige Tatbestände zu verwirklichen. Hier handelt der Täter bzgl. aller Tatbestandsverwirklichungen vorsätzlich.
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Täter von einem Polizisten und dessen Polizeihund verfolgt wird. Um sich beider zu entledigen, gibt der Täter mit seiner Maschinenpistole mehrere Schüsse hinter sich ab. Hier bezieht sich der Vorsatz des Täters sowohl auf eine Tötung des Polizisten als auch auf eine Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB des Hundes.
3. Dolus antecedens
Bei dem dolus antecedens besteht der Vorsatz nur vor dem Beginn der Tat (also im Vorbereitungsstadium oder früher). Er umfasst jedoch nicht den Zeitraum der Tatbestandsverwirklichung selbst und begründet in diesem Sinne keine betreffende Strafbarkeit.
Ein klausurrelevanter Fall ist in diesem Zusammenhang z.B. folgender: Der Täter möchte das Opfer ursprünglich töten, gibt den betreffenden Tatentschluss jedoch aus Mitleid auf. Versehentlich betätigt der Täter im Anschluss aber seine Pistole und erschießt das Opfer. Vorliegend handelt der Täter zu dem Zeitpunkt der Tatbegehung gem. § 8 StGB ohne Tötungsvorsatz. Es kommt jedoch eine fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB in Betracht.
4. Dolus subsequens
Bei dem dolus subsequens besteht der Vorsatz erst nach der Tatausführung. Er umfasst jedoch nicht den Zeitraum der Tatbestandsverwirklichung selbst und begründet in diesem Sinne keine betreffende Strafbarkeit.
Zur Veranschaulichung sei folgendes Beispiel genannt: Wenn der Täter auf sein Opfer einen tödlichen Schuss abgibt, setzt eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts (§ 211, § 212 StGB) voraus, dass der Täter zu dem Zeitpunkt der Betätigung der Waffe über einen Tötungsvorsatz verfügt. Nicht ausreichend wäre es, wenn der Täter zeitlich erst zwischen der Abgabe des Schusses und dem tödlichen Treffer den Tötungsvorsatz fassen würde. Ein solcher dolus subsequens nach der Tatausführung ist bezüglich der Strafbarkeit des Täters unbeachtlich.
Die hier besprochenen Probleme solltest Du zur Festigung noch einmal z.B. in einem guten Skript oder Lehrbuch nachlesen. Diese abstrakten Fallkonstellationen werden oftmals anschaulicher, wenn man sie sich bildlich vorstellt. Deshalb haben wir in unseren neuen Jura Skripten auch das bewährte Blended-Learning-Konzept der Kraatz Group implementiert und diese mit anschaulichen Lernvideos versehen.
5. Dolus generalis
Der dolus generalis ist eine Sonderform des Vorsatzes mit hoher Examensrelevanz und Bezug zum klassischen Jauchegruben-Fall. Und – wie könnte es anders sein – die Behandlung des dolus generalis ist umstritten.
a) Lehre vom dolus generalis
Nach der Lehre vom dolus generalis wurden früher Fälle gelöst, in denen sich der Täter insofern über den Kausalverlauf irrt, als dass bei einem einheitlichen zweiaktigen Handlungsgeschehen der tatbestandliche Erfolg nicht bereits wie gewollt durch die erste Handlung verwirklicht wird, sondern ungewollt durch die zweite Handlung.
Der Täter handelt hier nach der Lehre des dolus generalis bzgl. des eingetretenen tatbestandlichen Erfolgs vorsätzlich, da bei einem einheitlichen Handlungsgeschehen ein Generalvorsatz besteht. Es ist also nicht erforderlich, zwischen den beiden Handlungsakten zu differenzieren, vielmehr erstreckt sich der Vorsatz der ersten Handlung automatisch auf die zweite Handlung (Welzel, Das deutsche Strafrecht, § 13 I 3 d).
Die Lehre vom dolus generalis ist jedoch abzulehnen, da sie eine unzulässige Fiktion zulasten des Täters darstellt. Schließlich handelt der Täter zu dem Zeitpunkt der Tatbegehung gem. § 8 StGB in der Gestalt des zweiten Handlungsakts nicht vorsätzlich (Verstoß gegen das in Art. 103 II GG und § 1 StGB geregelte Analogieverbot). Der Vorsatz muss sich nach dem Simultanitätsprinzip / Koinzidenzprinzip i.S.d. § 8 StGB i.V.m. § 16 I StGB jedoch stets auf die konkrete Tathandlung beziehen und nicht auf das allgemeine Tatgeschehen an sich.
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b) Nur wegen Versuchs strafbar (Versuchslösung)
Nach einer anderen Ansicht liegen bei Konstellationen eines einheitlichen zweiaktigen Handlungsgeschehens zwei selbstständige Handlungen in Tatmehrheit gem. § 53 StGB vor. Bezüglich der ersten Tathandlung liegt eine versuchte Tötung und bzgl. der zweiten Tathandlung eine fahrlässige Tötung vor (Backmann, JuS 1972, 196, 199).
Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass sie nicht berücksichtigt, dass die beiden Teilakte (im Jauchegrubenfall: Würgen und Versenken) nicht beziehungslos zueinander stehen. Ein einheitliches Geschehen würde also willkürlich auseinandergerissen.
c) Herrschende Meinung: Vollendungslösung
Nach einer weiteren Ansicht (Rspr.) ist an die mit Tötungsvorsatz begangene Ersthandlung anzuknüpfen und zu fragen, ob danach eine wesentliche oder nur unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorliegt. Da nicht alle Einzelheiten eines Geschehensablaufs vorhersehbar sind, schließen unwesentliche Abweichungen, die sich in den Grenzen des nach der allgemeinen Lebenserfahrung Vorhersehbaren halten, den Vorsatz nicht aus. Die im Jauchegrubenfall auftretende Abweichung ist als vorhersehbar einzuschätzen, mithin handelte der Täter in diesem Fall bzgl. der Tötung vorsätzlich (BGHSt 14, 193, 194).
Hinweis: Der Jauchegrubenfall ist ein absoluter Klassiker. Im Examen ist daneben aber auch mit aktueller Rechtsprechung zu rechnen. Wenn Du diesbezüglich immer auf dem Laufenden sein willst, besuche unseren Crashkurs zur aktuellen Rspr.
d) Stellungnahme
Der letztgenannten Ansicht ist aus rechtsdogmatischen Gründen zu folgen. Die Fiktion eines Generalvorsatzes ist zum einen nicht zulässig und zum anderen auch gar nicht erforderlich, um das Geschehen strafrechtlich angemessen zu würdigen. Die Annahme zweier selbstständiger Tathandlungen wiederum würde zu einer nicht sachgerechten getrennten strafrechtlichen Behandlung der streitgegenständlichen Teilakte führen.
Schlusswort zum Vorsatz nach § 15 StGB
Die Grundformen des Vorsatzes müssen im Schlaf beherrscht werden. Die Sonderfälle des Vorsatzes sind höchst prüfungsrelevant (gerade im Examen). Auch muss jeder Examenskandidat vorsätzliches und fahrlässiges Handeln sauber abgrenzen können.
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Hendrik Heinze
Geschäftsführer Assessor Akademie / Jura Essentials Verlag
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