Die zivilrechtlichen Notstände im Strafrecht

Oftmals verkennen Studierende von Grundstudium bis hin zur Examensvorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen, dass die Rechtsgebiete Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht nicht einzeln gelernt werden dürfen, sondern auch im Zusammenhang stehen. Das wird im Strafrecht unter anderem durch die zivilrechtlichen Notstände gemäß § 228 S.1 BGB und § 904 S.1 BGB deutlich. Dabei handelt es sich ebenso um Rechtfertigungsgründe, wie beispielsweise das Festnahmerecht nach § 127 I StPO oder die rechtfertigende Einwilligung. Möchtest Du hierzu mehr lesen, dann klicke hier, um zu dem Blogbeitrag zu dem Thema zu gelangen. Erfahrungsgemäß handelt es sich bei den Notständen und der Selbsthilfe zwar nicht um die „Klausurklassiker“, allerdings können Sie auch mal bei den Prüfern beliebt sein, um sowohl im Grundstudium, Hauptstudium oder Klausuren des juristischen Staatsexamens Randthemen abzufragen. Daher empfiehlt es sich, bereits im Grundstudium, die relevanten zivilrechtlichen Notständen und die Selbsthilfe sorgfältig zu lernen, um in der Klausur nicht unerwartet mit derartigen Themen konfrontiert zu werden. Daher ist die Lektüre des Blogbeitrags eine gute Empfehlung.

Die Bedeutung der Notstände und der Selbsthilfe in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die zivilrechtlichen Notstände und die Selbsthilfe beherrschen. Aber auch im Grundstudium oder Hauptstudium sind Kenntnisse nötig, um im Klausurfall die entsprechende Vorschrift erstmal aufzufinden und dann anschließend richtig zu prüfen. Ihre Kenntnis und vor allem auch ihr Unterschied ist elementar, um im Examen auch unbekannte Sachverhalte in den Griff zu bekommen und den richtigen zivilrechtlichen Notstand heranzuziehen. Des Weiteren ist es auch möglich, dass die Prüfer in der mündlichen Prüfung mal das eher ungewöhnliche Thema abfragen.

Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die klausurrelevanten zivilrechtlichen Notstände gemäß §§ 228 S.1, 904 S.1 näherbringen.

Die zivilrechtlichen Notstände (§§ 228 S.1, 904 S.1 BGB) und die Selbsthilfe (§ 229 BGB)

1. Allgemeines

Die zivilrechtlichen Notstände sind in §§ 228, 904 S.1 BGB geregelt. Zu differenzieren ist zwischen dem defensiven Notstand gemäß § 228 S.1 BGB und dem Aggressivnotstand nach § 904 S.1 BGB. Vereinfacht gesagt ist der Defensivnotstand gemäß § 228 S.1 BGB anwendbar, wenn sich gegen eine Sache verteidigt wird, von der die Gefahr ausgeht, während der Aggressivnotstand gemäß § 904 S.1 BGB herangezogen wird, wenn eine Sache zur Verteidigung gegen eine andere gefährliche Sache genommen und dabei zerstört wird. Die Selbsthilfe nach § 229 BGB ist unter anderem dann anwendbar, wenn die Gefahr besteht, dass ein bestehender Anspruch nicht durchgesetzt werden kann. Geprüft werden die §§ 228 S.1, 904 S.1, 229 BGB auf Rechtswidrigkeitsebene. Wie genau die §§ 228 S.1, 904 S.1, 229 BGB zu prüfen sind, erfahrt ihr im folgenden Blogbeitrag.

2. Defensiver Notstand gemäß § 228 S.1 BGB

Der defensive Notstand findet sich in § 228 S.1 BGB. In § 228 S.1 BGB heißt es: Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis steht. Aus der Lektüre des Gesetzes ergibt sich bereits folgendes Prüfungsschema.

a) Notstandslage

Zunächst muss eine Notstandslage vorliegen. Das heißt, dass eine drohende Gefahr für sich selbst oder einen anderen besteht. Die Gefahr muss von fremden oder herrenlosen Sachen ausgehen. Für die Definition der Gefahr kann auf § 34 StGB zurückgegriffen werden. Demnach ist eine Gefahr gegeben, wenn die Umstände den Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich erscheinen lassen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn man von einer gefährlichen Katze mit Tollwut vom Nachbarn angegriffen wird.

b) Notstandshandlung

Anschließend muss eine Notstandshandlung des Betroffenen erfolgen. Die Handlung des Betroffenen muss geeignet und erforderlich sein, um als Notstandshandlung angesehen werden zu können. Für die Definitionen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit kann auf den Blogbeitrag zur Notwehr zurückgegriffen werden. Außerdem muss die Sache zerstört oder beschädigt werden, von der die Gefahr ausgeht. Im o.g. Fall müsste also das Wegtreten der Katze mit der Folge, dass die Katze stirbt, ein geeignetes und erforderliches Mittel sein, um die Gefahr von sich abzuwenden, wovon auszugehen ist, wenn der Angriff dadurch beendet wird und andere Mittel, wie beispielsweise das Weglaufen und Verstecken nicht den gleichen Erfolg versprechen.

c) Verhältnismäßigkeit

Ferner darf der durch die Gefahrenabwehr entstandene Schaden nicht außer Verhältnis zum verhinderten Schaden stehen. Hier steht der verhinderte Schaden durch die tollwütige Katze, evtl. gebissen zu werden und darüber hinaus auch eine Blutvergiftung zu bekommen, nicht außer Verhältnis zum eingetretenen Schaden (Tod der Katze).

d) subjektives Rechtfertigungselement

Das bedeutet, dass der „Täter“ in Kenntnis der Notstandslage und mit Verteidigungswillen handelte. Das wird man in dem o.g. Fall annehmen können, sodass alle Voraussetzungen des § 228 S.1 BGB erfüllt sind und die Tat, in dem Fall eine Sachbeschädigung gemäß § 303 I StGB an der Katze, gerechtfertigt ist.

3. Aggressivnotstand gemäß § 904 S.1 BGB

Der Aggressivnotstand ist in § 904 S.1 BGB geregelt. In § 904 S.1 BGB heißt es: Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Das Prüfungsschema ähnelt sich dem des defensiven Notstands und lautet wie folgt:

a) Notstandslage

Wie bereits bei § 228 S.1 BGB, ist auch bei § 904 S.1 BGB eine Notstandslage erforderlich. Hier muss eine gegenwärtige Gefahr für ein beliebiges Rechtsgut bestehen. Für die Definitionen einer gegenwärtigen Gefahr kann auch im Rahmen des § 904 S.1 BGB wieder auf § 34 StGB zurückgegriffen werden. Im o.g. Beispiel besteht eine gegenwärtige Gefahr für das Rechtsgut Leib und Leben, indem der Nachbar von der tollwütigen Katze angegriffen wird.

b) Notstandshandlung

Auch bei der Notstandshandlung gelten die bereits ermittelten Grundsätze zu § 228 S.1 BGB. Die Notstandshandlung muss geeignet und erforderlich sein. Im Unterschied zu § 228 S.1 BGB richtet sich die Notstandshandlung hier gerade nicht gegen die Sache, von der die Gefahr ausgeht. Im o.g. Beispielsfalls kann es dem angegriffenen Opfer also nicht verwehrt sein, beispielsweise die Schaufel des Nachbarn zu benutzen, um die aggressive tollwütige Katze abzuwehren, wenn diese Handlung geeignet und erforderlich ist.

c) Verhältnismäßigkeit

Auch hier gelten die Grundsätze des § 228 S.1 BGB entsprechend. Das bedeutet, dass der eingetretene Schaden nicht außer Verhältnis zu dem eingetretenen Schaden stehen darf. Geht die Schaufel also kaputt und bricht ab, weil der angegriffene Nachbar so hart mit der Schaufel zuschlägt, so steht das i.S.d. Solidaritätsprinzip nicht außer Verhältnis zum verhinderten Schaden, mithin der Verletzung des Rechtsguts von Leib und Leben.

d) subjektive Rechtfertigungselement

Bei dem subjektiven Rechtfertigungselement ist ebenfalls wieder der Gedanke des § 228 S.1 BGB heranzuziehen, welches dann vorliegt, wenn die Kenntnis von der Notstandslage und der Verteidigungswille des Handelnden vorliegt.

Fazit zu den zivilrechtlichen Notständen

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen, des juristischen Handwerkskoffers, sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein.

Die solide Kenntnis der Prozessgrundsätze der ZPO gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand der prozessualen Zusatzfrage in der Zivilrechtsklausur und werden auch sehr gerne in der mündlichen Prüfung abgeprüft.

Dass die Kenntnis der Prozessmaximen für ein erfolgreiches 2. Staatsexamen wichtig ist, liegt auf der Hand. Schließlich besteht das 2. Staatsexamen zu einem wesentlichen Anteil aus Prozessrecht. Gerade bei unbekannten Sachverhalten oder bei der Darstellung von Meinungsstreitigkeiten kann daher auf die Kenntnis der betreffenden Grundlagen zurückgegriffen werden.

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Florian Bieker

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