Gesetzlicher Ausschluss der Gewährleistungsrechte: § 442 BGB im Blick

Die Gewährleistungsrechte des Käufers gehören zum Kernbestand prüfungsrelevanter zivilrechtlicher Materie – nicht nur im Jura Studium, sondern insbesondere im ersten juristischen Staatsexamen. In den bisherigen Beiträgen haben wir uns daher bereits die grundlegende Struktur der Gewährleistungsrechte und des Schadensersatzes im Kaufrecht angesehen und darauf aufbauend vertragliche Haftungsausschlüsse näher beleuchtet. Nun wollen wir uns mit gesetzlichen Haftungsausschlüssen beschäftigen. Heute soll es um den § 442 BGB gehen und hier insbesondere um ein Spezialproblem, nämlich was bedeutet eigentlich genau „Kenntnis bei Vertragsschluss“ i.S.d. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB.

Hier bietet sich eine gute Gelegenheit, die Themen rund um das Kaufrecht und die Gewährleistungsrechte noch einmal zu wiederholen – und wir helfen dir dabei! Egal ob im Jura Einzelrepetitorium oder in einem Jura Gruppenrepetitorium: Unser bewährtes Konzept verbindet neue Themen immer wieder mit bereits Gelerntem und festigt so dein Wissen langfristig. Unsere erfahrenen Dozenten gehen individuell auf deine Fragen ein – und begleiten dich zuverlässig auf dem Weg zum Staatsexamen. Sehr gerne unterstützen wir dich in unserem Jura Repetitorium in Berlin, München oder Bonn. Schau dir auch gerne die Erfahrungsberichte erfolgreicher ehemaliger Teilnehmer an und nimm Kontakt zu uns auf!

§ 442 BGB – Ausschluss der Gewährleistungsrechte

Heute soll es also zunächst etwas näher um die Vorschrift § 442 Abs. 1 S. 1 BGB gehen.

Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels, also die Gewährleistungsrechte des Käufers, sind ausgeschlossen, wenn der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Der Zweck dieser Vorschrift leuchtet sofort ein: Wenn ein Käufer weiß, dass die Sache, die er kauft, einen Mangel hat, ist es letztlich widersprüchlich, sich auf Gewährleistungsrechte wegen dieses Mangels zu berufen. Und das kann sogar dann gelten, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. § 442 BGB bildet also ein Gegengewicht zur weitgehenden Haftung des Verkäufers für Sachmängel und bringt das Prinzip von Treu und Glauben in den Kontext des Gewährleistungsrechts. Wie immer lohnt es, sich den Sinn und Zweck der Norm im Hinterkopf zu behalten, besonders, wenn man ein unbekanntes Problem lösen möchte.

Kenntnis des Mangels bei Vertragsschluss

Zunächst muss geklärt werden, was es heißt, dass der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Kenntnis bedeutet ganz einfach positive Kenntnis derjenigen Umstände, die den Mangel begründen. Es genügt also nicht der bloße Verdacht eines Mangels. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Ausschluss der Gewährleistungsrechte gem. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ist laut dem ausdrücklichen Wortlaut der „Vertragsschluss“. Die Gewährleistungsrechte des Käufers sind also ausgeschlossen, wenn der Käufer „bei Vertragsschluss“ den Mangel kennt. Vertragsschluss meint eigentlich, dass ein Vertrag zustande gekommen ist. Wir wollen uns nun aber einen Fall anschauen, in dem diese eigentlich einfache zu beantwortende Frage ein Problem um die Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 S. 1 BGB aufwirft.

Der Beispielfall

Stellen wir uns vor, der Käufer (K) möchte von einem Verkäufer (V) ein besonderes Buch für 20 € kaufen. Der K hat sich das Buch von V bisher nur sehr oberflächlich via Videotelefonie zeigen lassen. K hat sich das Buch also noch nicht konkret angeschaut, vertraut aber dem V. K möchte das Buch gerne haben und macht ein verbindliches Angebot gegenüber V. V wiederum erbittet sich zur Annahme des Angebots zwei Wochen Bedenkzeit, um noch einmal zu überlegen, ob er das Buch wirklich verkaufen will. Eine Woche später ist K zufälligerweise bei V zu Hause und sieht im Regel das Buch, das er von V erwerben will. Zu seiner Überraschung muss K feststellen, dass das Buch auf einigen Seiten Mängel in Form von Druckfehlern aufweist. Im selben Moment tritt jedoch V an K heran und erklärt die Annahme des Kaufvertrages. Dann lässt er den verdutzten K mit den Worten zurück: „Das Buch gehört jetzt dir!“

Fallfrage: Stehen dem K wegen des mangelhaften Buches Gewährleistungsrechte zu?

In einer Examensklausur wäre der Fall natürlich deutlich ausgeschmückter. Hier lassen sich zum Beispiel einige Probleme aus dem BGB allgemeiner Teil einbauen. Oder der im Raum stehende Mangel wird komplizierter und es muss erst einmal herausgearbeitet werden, ob überhaupt ein Mangel vorliegt. Wenn man aber durch die Prüfung der Gewährleistungsrechte durchgekommen ist, kommt man an den Punkt „kein Gewährleistungsausschluss“.

  1. Kaufvertrag

Die Rechte des K wegen des Mangels könnten hier gem. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sein, wenn K bei Vertragsschluss den Mangel kannte. Das Problem hier ist Folgendes: Bei Abgabe seines verbindlichen Angebots i.S.d. § 145 BGB hatte K noch keine Kenntnis des Mangels. Bei Vertragsschluss (Annahme des Angebots durch V) hingegen schon. Fraglich ist daher, wie das Merkmal „bei Vertragsschluss“ i.S.d. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgelegt werden muss.

Hast du das Problem erkannt? Sehr gut, dann geht es direkt weiter damit, sich eine Lösung zu überlegen. Wenn dir aber manchmal noch das nötige Problembewusstsein fehlt, mach dir keine Sorgen. Mit einer gezielten Jura Examensvorbereitung kannst du daran arbeiten. Gerade, wenn Teilnehmer in der Vergangenheit Schwierigkeiten im Zivilrecht hatten und sich im Verbesserungsversuch, Wiederholungsversuch oder im Zweitversuch befinden, ist es wichtig, ganz strukturiert vorzugehen. Denn wenn die Struktur einmal sitzt, dann fallen einem die Probleme quasi von selbst ins Auge. Und genau so konzipiert das Justizprüfungsamt auch die allermeisten Klausuren. Nämlich so, dass man sie mit dem normalen juristischen Handwerkskoffer lösen kann. Mit unseren Jura Individualkursen oder unseren Jura Kleingruppenkursen bist du von Anfang an gut aufgestellt für deinen Weg zum Prädikatsexamen!

Wie lösen wir nun unser Problem? Der BGH hat hierzu in einer ähnlichen Konstellation Stellung bezogen[1]. Ausgehend vom Wortlaut könnte man die Gewährleistungsrechte des K ablehnen. Allerdings muss bei der Auslegung einer Vorschrift immer auch auf den Sinn und Zweck der Norm abgestellt werden. Der Wortlaut der Vorschrift des § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ist letztlich zu weit und muss teleologisch reduziert werden. Teleologische Reduktion einer Norm bedeutet: Anwendungsfälle, die man dem Wortlaut nach eigentlich unter die Norm subsumieren kann, müssen vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen werden. Genau das ist hier der Fall. Es kommt bei einem Vertragsschluss, bei dem Angebot und Annahme nicht zeitlich zusammenfallen, nicht auf das förmliche Zustandekommen des Vertrags an. Entscheidend für den Ausschluss der Gewährleistung gem. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ist es vielmehr, dass der Käufer bei Abgabe seines Angebots Kenntnis vom Mangel hatte, nicht erst bei Annahme des Angebots durch den Verkäufer. Wie wir bereits herausgearbeitet haben, ist der Sinn und Zweck der Vorschrift nämlich darin zu erblicken, dass der Käufer gerade nicht in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht wird, wenn er den Kauf trotz Kenntnis des Mangels gewollt hat. Ein Käufer ist eben nur dann nicht schutzwürdig, wenn er sich mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten stellt. Der Käufer K konnte sich in unserem Fall wegen §§ 145, 147 II BGB nicht mehr einseitig von seinem Angebot lösen. K konnte also den Vertragsschluss nicht mehr verhindern. Für ihn war der Vertrag quasi schon geschlossen, als er sein verbindliches Angebot an V abgegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt aber ging er nicht davon aus, dass das Buch mangelhaft ist. Deshalb würde man diesen Fall dahingehend entscheiden, dass dem K Gewährleistungsrechte zustehen und diese Gewährleistungsrechte nicht gem. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sind. Und hier sieht man, der BGH kocht auch nur mit Wasser- bzw. den gängigen Auslegungsmethoden.

Grob fahrlässige Unkenntnis

Abschließend  wollen wir noch kurz auf einen weiteren Grund eingehen, warum ein Käufer keine Gewährleistungsrechte geltend machen kann. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB sagt: Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Wir sehen: unter Umständen reicht schon grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers vom Mangel, damit der Käufer die Gewährleistungsrechte verliert. Das ist aber wiederum dann nicht der Fall, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat oder der Verkäufer eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat. Auch dann also sind die Gewährleistungsrechte des Käufers gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB nicht ausgeschlossen.

Ausblick

Ein ähnliches Problem ergibt sich übrigens bei der Frage, ob es bei einem nach § 355 BGB widerruflichen Kaufvertrag für die Anwendung des § 442 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Kenntnis des Käufers vom Mangel bei Vertragsschluss (beispielsweise via Internet) ankommt oder ob man nicht fragen muss, ob der Käufer bei Ablauf der Widerrufsfrist Kenntnis vom Mangel hat. Wir werden außerdem in einem anderen Blogbeitrag noch darauf eingehen, wie eigentlich das Merkmal „bei Vertragsschluss“ i.R.d. § 311a Abs. 2 BGB auszulegen ist.

Fazit

Anhand dieses Beispiels hat sich wieder einmal gezeigt, dass man mit dem richtigen juristischen Handwerkszeug und einer strukturierten Vorgehensweise viele Problemstellungen lösen kann. Ausgangspunkt ist dabei immer die Arbeit am und mit dem Gesetz. Dann kommen die Auslegungsmethoden ins Spiel. Natürlich ist es trotzdem vorteilhaft, von einem Problem schon einmal gehört zu haben, wenn man im Examen sitzt! Daher abonniert gerne unseren Newsletter für mehr examensrelevante Problembesprechungen und aktuelle Fragen rund um das Zivilrecht.

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Sophie Goldenbogen

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