- 18. August 2025
- Posted by: Dr. Robert König
- Categories: Sonstiges, Tipps fürs Studium

Die Bedeutung von Gutachtenstil und Urteilsstil in der juristischen Klausur oder Hausarbeit
Wir Juristen lieben unsere besondere Sprache. Eine gelungene Klausur oder Hausarbeit überzeugt nicht nur in inhaltlicher, sondern auch in sprachlicher Hinsicht. Das sprachliche Werkzeug des Juristen ist dabei während des Jurastudiums vor allem der Gutachtenstil. Mit diesem werden juristische Fragestellungen eingehend geprüft. Es verwundert daher umso mehr, dass der Großteil der Studierenden diesen nicht konsequent anzuwenden weiß.
Um in der Examensklausur überhaupt fertig zu werden, muss man aber an geeigneten Stellen auch auf den Urteilsstil ausweichen. Im Referendariat und 2. Staatsexamen ist der Urteilsstil dann ohnehin die dominante Stilform. Beide Stile sind ein wichtiger Teil der juristischen Fachsprache.
I. Wie funktioniert der Gutachtenstil in Deinem juristischen Gutachten?
Der Gutachtenstil ist die besondere Sprache des Juristen, insbesondere im Jurastudium und für Kandidaten des 1. Staatsexamens. Er besteht aus dem Obersatz, der Definition, der Subsumtion und dem Ergebnis.
1. Der Obersatz
Mit dem Obersatz wird die Frage aufgeworfen, die man nachfolgend klären will. Dies kann als Frage oder als Hypothese dargestellt werden. Das spielt keine entscheidende Rolle, die Ausgangssituation ist dieselbe.
Entweder schreibst Du „Fraglich ist, ob es sich bei dem Schreiben der Behörde um einen Verwaltungsakt handelt.“ (Frage) oder „Es müsste sich bei dem Schreiben der Behörde um einen Verwaltungsakt handeln.“ (Hypothese).
2. Die Definition
Durch die nachfolgende Definition zeigst Du auf, was die Voraussetzungen dafür sind, dass ein Verwaltungsakt vorliegt bzw. – allgemeiner – was die Voraussetzungen für die Beantwortung der im Obersatz aufgeworfenen Frage sind.
Dies ist Dein Prüfungsmaßstab. Diese Voraussetzungen stehen (meist) im Gesetz: „Nach § 35 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“.
Freilich tun sich jetzt weitere Probleme auf, die wiederum nach einem neuen Obersatz verlangen, sodass Du letztlich ein „Gutachten im Gutachten“ schreibst. So wird z.B. im Fall des Verwaltungsakts etwa nur dessen Regelungswirkung zu problematisieren sein. Dann bringst Du nach der Definition des Verwaltungsakts einen neuen Obersatz: „Das Schreiben der Behörde müsste demnach insbesondere Regelungscharakter haben.“ Hierfür stellst Du mit einer neuen Definition den Prüfungsmaßstab her: „Die „Regelung“ im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG meint die unmittelbare Herbeiführung einer verbindlichen Rechtsfolge, d.h. die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung eines Rechts oder einer Pflicht.“
3. Die Subsumtion
Nun kommt der Teil, für den es in der Klausur die Punkte gibt: Die Subsumtion.
Hierbei gleichst Du die von Dir formulierte Definition mit dem Sachverhalt ab und prüfst, ob im konkreten Fall die definierten Voraussetzungen gegeben sind. Ist also das Tatbestandsmerkmal erfüllt, „passt“ der Sachverhalt zur Definition?
Wichtig: Es geht hier allein um die fallbezogene Argumentation, nicht um abstrakte, lehrbuchartige Ausführungen. Argumentiere also nicht mit der „allgemeinen Lebenserfahrung“. Mach zudem nicht den Fehler, den Sachverhalt „nachzuerzählen“. Dies ist gerade keine Subsumtion.
Der Prüfer will bei der Lektüre der Klausur bei Laune gehalten werden. Schreibe also „spannend“. Formuliere nicht „Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, wird A durch das Schreiben der Behörde dazu aufgefordert, einen Beitrag in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen.“ oder „Die Behörde formuliert in ihrem Schreiben, dass A einen Beitrag in Höhe von 1.000,00 € zahlen soll.“ Der Korrektor weiß, was im Sachverhalt steht und was die Behörde geschrieben hat. Er will, dass Du nun den Sachverhalt unter die Definition legst und direkt prüfst, ob es „passt“.
4. Das Ergebnis
Im Anschluss an die Subsumtion hältst Du das Ergebnis Deiner Prüfung fest. Dies tust Du einleitend etwa mit den Worten „mithin“, „folglich“ oder „somit“. Also z.B.: “Mithin liegt ein Verwaltungsakt gem. § 35 S. 1 VwVfG vor.”
Nur Übung macht den Meister! Schreibe von Anfang an möglichst viele Jura Klausuren, und achte vor allem im Grundstudium penibel genau auf den Gutachtenstil. Können wir Dir helfen? Wenn Du Unterstützung benötigst, stehen Dir unsere erfahrenen Dozenten gerne zur Seite. Auch falls Du schon einmal durch eine Klausur in der Zwischenprüfung durchgefallen bist, bringen wir Dich mit der richtigen Motivation wieder auf die Erfolgsspur.
II. Noch ein Wort zum Obersatz beim Gutachtenstil
Der Obersatz ist das A und O im Gutachtenstil, denn er hat nicht nur Orientierungsfunktion (der Korrektor muss jederzeit wissen, was Du gerade warum prüfst), sondern stellt zugleich den nachfolgenden Prüfungsablauf dar. Gerade durch einen richtig formulierten Obersatz fühlt sich der Korrektor „abgeholt“ und kann Dir folgen, denn er weiß dadurch, was nun geprüft wird.
Ein einfaches Beispiel anhand der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde:
„Die Verfassungsbeschwerde müsste begründet sein. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist.“
So richtig dieser Satz inhaltlich auch ist, so unpräzise ist er zugleich. Denn Du teilst dem Korrektor nicht mit, woran eine solche Grundrechtsverletzung festzumachen ist. Mit anderen Worten: Was ist überhaupt Voraussetzung dafür, dass eine solche Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten vorliegt? Du musst den nachfolgenden Prüfungsaufbau nun im Obersatz „vorwegnehmen“. Du schreibst also, wie gerade geschehen, und ergänzt dies um die Skizzierung des Prüfungsaufbaus:
„Die Verfassungsbeschwerde müsste begründet sein. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn der Schutzbereich eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts eröffnet ist, hierin seitens des Staates eingegriffen wurde und dieser Eingriff nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.“
Dann beginnst Du, den Schutzbereich, den Eingriff und die Rechtfertigung zu prüfen.
III. Der Urteilsstil
Der Urteilsstil gehört ebenso wie der Gutachtenstil zur juristischen Fachsprache und sollte folglich beherrscht werden.
Wenn man sich einmal die Entscheidungsgründe eines Urteils oder Beschlusses durchliest, fällt einem gleich auf, dass der Urteilsstil das Ergebnis voranstellt. Die Begründung dafür erfolgt erst danach.
Zu Beginn des Studiums spielt der Urteilsstil kaum eine Rolle, seine Bedeutung nimmt erst zum zweiten Examen hin zu. Dort verfasst man sogenannte Urteilsklausuren.
Aber auch schon im ersten Examen ist es notwendig, an unproblematischen Stellen den Urteilsstil zu nutzen (dazu sogleich mehr). Es ist gar nicht so schwer, im Urteilsstil zu schreiben, wenn man die grundlegenden Regeln beachtet:
- Ergebnis
- Begründung (Definition und Subsumtion)
Beispiel 1 aus dem Strafrecht (StA-Klausur im 2. Examen)
„Der Beschuldigte ist eines Diebstahls gem. § 242 I StGB hinreichend verdächtig, indem er dem Zeugen heimlich dessen Portemonnaie aus der Jackentasche entwendete.
Es lag eine fremde bewegliche Sache vor. Sachen sind alle körperlichen Gegenstände gem. § 90 BGB ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Wert. Bei dem Portemonnaie handelt es sich um einen körperlichen Gegenstand.
Sachen sind beweglich, wenn sie von ihrem bisherigen Ort weggeschafft werden können. Das Portemonnaie konnte ohne Weiteres von seinem bisherigen Ort weggeschafft werden.
Sachen sind fremd, wenn sie im Eigentum einen anderen stehen. In diesem Zusammenhang ist bereits das Miteigentum eines anderen ausreichend. Das Portemonnaie stand im Eigentum des Z, gehörte also nicht dem B selbst und war auch nicht herrenlos …“
Hinweis: Das Beispiel dient nur der Erläuterung des Urteilsstils. In einer Klausur würde man an derart unproblematischen Stellen natürlich nur feststellen, dass das Portemonnaie eine fremde bewegliche Sache darstellt.
Beispiel 2 aus dem Zivilrecht (Urteilsklausur im 2. Examen)
„Der Kläger hat ggü. dem Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 10.000,00 EUR gem. § 433 II BGB.
Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht ein wirksamer Kaufvertrag. Es liegen zwei inhaltlich überstimmende Willenserklärungen in der Gestalt von Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB vor. Der Kläger machte dem Beklagten ein Angebot, indem er ihm am 30.10.2020 einen Brief in den Briefkasten warf, mit welchem er dem Beklagten einen Vertragsschluss bzgl. des Autos des Klägers zu einem Kaufpreis i.H.v. 10.000,00 EUR antrug …“
Hinweis: Auch dieses sehr ausführliche Beispiel dient der Erklärung des Urteilsstils. Im ersten Examen würde es schlicht der A, der B oder der Täter heißen. Die hier gewählten prozessualen Rollen (Beschuldigter, Kläger usw.) sind jedoch für das zweite Examen typisch.
IV. Der Feststellungsstil
Beim Feststellungsstil stellst Du das Vorliegen eines bestimmten Merkmals schlicht fest (daher der Name), ohne es wie beim Gutachten- oder Urteilsstil zu begründen.
Den Feststellungsstil nutzt man bei völlig unproblematischen Gesichtspunkten. Wenn z.B. der Sachverhalt bei einem erwachsenen Straftäter nichts zur Rechtswidrigkeit oder Schuld enthält, heißt es im Feststellungsstil: „A handelte rechtswidrig und schuldhaft.”
Auch kannst Du den Feststellungsstil oft gegen Ende des Gutachtens (und der Klausurzeit) nutzen, falls Du das betreffende Tatbestandsmerkmal bereits vorher definiert hast und es unproblematisch vorliegt.
Wir achten in unseren Kursen von Anfang an darauf, dass Du das Klausuren-Schreiben lernst. Nichts, nicht einmal gute Skripte, ersetzt das Lernen am praktischen Fall. Gerne unterstützten wird Dich (unter anderem) in unserem Jura Repetitorium Berlin oder Jura Repetitorium München. Nimm gerne Kontakt mit uns auf!
V. Die richtige Mischung aus Gutachten- und Urteilsstil in Deiner Fallbearbeitung
1. Im Grundstudium (Jura Klausuren und Hausarbeiten)
Im Grundstudium sollte man nach Möglichkeit fast durchgehend den Gutachtenstil nutzen, da die Korrektoren hierauf achten. An völlig unproblematischen Stellen darf man aber im Hinblick auf die richtige Setzung des Schwerpunkts auch im Urteilsstil schreiben. Wenn der Sachverhalt beispielsweise keine Anhaltspunkte für Rechtswidrigkeit und Schuld enthält, schreibt man auch in der Anfängerklausur: „Der A handelte rechtswidrig und schuldhaft.”
2. Verwendung des Urteilsstils in der ersten Staatsprüfung
Im ersten Staatsexamen muss man natürlich auch ein Gutachten schreiben. Dennoch ist es aus vielen Gründen vorteilhaft, den Urteilsstil an den richtigen Stellen in der Bearbeitung zu verwenden:
Erstens kann man sich Zeit und Platz für die wirklich schwierigen Abschnitte der Klausur oder Hausarbeit aufsparen (diese sind zwingend im Gutachtenstil zu schreiben).
Zudem demonstriert ein maßvoller Gebrauch des Urteilsstils dem Prüfer, dass man Schwerpunkte setzen und Problematisches und Unproblematisches unterscheiden kann. Außerdem wird die Arbeit dadurch übersichtlicher und angenehmer zu lesen.
Die meisten Prüfer am JPA haben eine besondere Abneigung gegen Arbeiten, die keine Schwerpunktsetzung und keinen erkennbaren roten Faden aufweisen. Das hat Auswirkungen auf die Vergabe der Noten! Urteilsstil an den passenden Stellen wirkt sich positiv auf die Laune des Prüfers aus. Du solltest Dich also trauen, unproblematische Prüfungspunkte im Urteilsstil zu verfassen.
3. Referendariat und zweites Staatsexamen
Im Referendariat und Assessorexamen ist der Urteilsstil Dein grundlegendes Handwerkszeug. Das gilt zunächst selbstverständlich für die Urteilsklausur. Aber auch in denjenigen Klausuren, die ein Gutachten erfordern (u.a. Anwaltsklausur, StA-Klausur), sollte der Gutachtenstil eher die Ausnahme bleiben, da man andernfalls mit der Klausur nicht fertig wird. Dennoch bleibt dem Gutachtenstil zumindest bei der Erörterung von umstrittenen Problemen im Rahmen des Gutachtens Raum.
Fazit zu Urteils- und Gutachtenstil
Wenn man als Jurastudent gerade in den ersten Semestern dezidiert den Gutachtenstil lernt, hat man ein wichtiges Werkzeug für sämtliche Klausuren und Hausarbeiten des gesamten Jura Studiums! Es lohnt sich also, hier Zeit in das Erlernen des Gutachtenstils zu investieren.
Ab dem Hauptstudium sollte man dann die Anwendung des Urteilsstils verfeinern, um die unproblematischen Stellen in der Klausur schnell abzuhandeln. Eine strittige Rechtsfrage bzw. problematische Stelle wird aber auch in der Examensklausur selbstverständlich im Gutachtenstil geprüft. Die Kombination beider Stile macht letztlich eine gute juristische Arbeitstechnik aus.
Sehr gerne unterstützen wir Dich mit effektivem Jura Einzelunterricht oder in der Kleingruppe.
Auch wenn Du Dich in einer besonderen Situation in Deinem Jurastudium oder Referendariat befindest (z.B. Examen durchgefallen, letzter Versuch, Verbesserungsversuch, Wiedereinstieg nach längerer Pause, Prüfungsangst) sind wir für Dich da.
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Dr. iur. Robert König
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